berliner szenen Notrufsignale

The Power of Love

Er spreche wie ein Nachrichtensprecher, sagt Katharina, immer in dem Stil. Ob es ums Wetter gehe, um die Kanzlerin Merkel, um Fußball, immer spreche er, als sei er gerade auf Sendung. Melde Aktuelles, kommentiere Neuigkeiten, hole Meinungen ein.

Herr K. ist nicht auf Sendung, schon seit Jahren nicht mehr. Herr K. hat wenig zu tun und zuletzt im Gartenbau sein Geld verdient. Wenn er spricht, dann zu sich selbst, und Katharina empfängt seine Ansagen über den Lüftungsschacht des Badezimmers. Herr K. bewohnt die Wohnung unter ihr. Und er empfängt nie Besuch. Katharina wüsste das, sie würde es hören.

Ganz unten im Haus ist Herr Z. Früher standen die Nachbarn K. und Z. ab und an im Hinterhof, in lauen Nächten, und Herr Z. analysierte die Lage der Welt, und die Lautstärke seiner Rede steigerte er mit zunehmendem Alkoholpegel. Herr K. schwieg dazu länglich.

Seit fünf Jahren, oder sind es sieben, genau erinnert Katharina sich nicht, ist es still geworden um Herrn Z. Seit er sein Augenlicht verloren hat, „wegen dem Alkohol“, sagte Herr K. einmal während eines flüchtigen Gesprächs im Treppenhaus zu Katharina, habe Herr Z. seine Wohnung nicht mehr verlassen. Er lebe nun mit einer Katze. Eine Haushaltshilfe erledige alle paar Tage, was unbedingt getan werden müsse, abwaschen, einkaufen, leere Bierdosen in den Müll entsorgen.

Wie Schiffbrüchige gestrandet auf ihren Inseln kommen die Männer Katharina vor. Und was alles fehlt, seine Sehnsucht, zelebriert Herr K. jeden Mittag in ungefähr neun Minuten. Er spielt dann sehr laut, so laut, wie seine Anlage es hergibt, dreimal hintereinander die Ballade „The Power auf Love“. Sie klingt wie ein Notruf. GUNDA SCHWANTJE