: In Schlagerwürde altern
Johnny Logan ist nicht der Einzige, der am Eurovision Song Contest herumnörgelt. Was treibt die Alten?
Ach, Johnny Logan (53), oller Sack: War das nötig, den Eurovision Song Contest (ESC) als „Witzveranstaltung“ zu geißeln? Ergab das Sinn, sich öffentlich zu bekunden mit den Worten: „Die Veranstalter müssen daran arbeiten, den alten Glanz wiederherzustellen?“ Leidet er an Amnesie? Keine Erinnerungsspur mehr an das Jahr 1980, als er den ESC erstmals gewann und in der irischen Presse als peinlicher Schnulzier abgefertigt wurde, dessen Tränen mehr mit Gefühlsseligkeit denn echtem Gefühl zu tun haben? Logan, der im Übrigen seit Jahr und Tag zu ESCs fährt und stets auf Kosten seiner Plattenfirma, um sich wiederum für Galas ins Gespräch zu bringen, dieser Logan hat ja den Zenit seiner Laufbahn längst hinter sich. Und dies sollte er doch wohl zuerst wissen.
Offenkundig leidet er unter dem gleichen Missmut, der auch regelmäßig Udo Jürgens (73), Vicky Leandros (59) oder Joy Fleming (63) heimsucht, wenn man ihnen ein Mikro hinhält und sie zum Festival befragt, das einst als Grand Prix Eurovision de la Chanson bekannt war. Dann sagen sie, alles sei schlimm, blöde und einfältig – und sie alle eint offenbar die Fantasie, dass nur sie selbst dereinst fähig waren, Niveau und Glanz zu verströmen. Alles unwahr.
Jürgens wie die Leandros wären ohne den ESC Schlagersänger unter vielen anderen, und die Fleming verdankt ihren Ruhm auch nur der Tatsache, dass ihr Song „Ein Lied kann eine Brücke sein“ erstens sehr mies abschnitt 1975 in Stockholm, was unangenehm berührte, weil es, zweitens, ein klasse Popsong war (und ist).
Insofern: Johnny Logan macht, was alle machen, wenn sie körperlich mehr als ein wenig an Fülle zulegen – und außerdem popästhetisch sich jenseits der Aktualität heimisch fühlen. Wie man würdig mit Gestrigem umgeht, bewies jüngst Reinhard Mey (65), als er zum Schicksal seines Lieds „Gute Nacht, Freunde“ befragt wurde. Das belegte, gesungen von Inga & Wolf, bei der deutschen ESC-Vorauswahl 1972 den vierten Platz – wurde aber ein Evergreen. Ihm habe der Grand Prix immer Freude bereitet, er gucke ihn jedes Jahr, es gebe dort „das Schlimmste“ wie auch „das Schönste“ zu sehen – ganz „wie im richtigen Leben“. Niveauverluste habe er über die Jahre nicht feststellen können: „Der Grand Prix hat sich erfolgreich modernisiert. Er hat sich gewandelt, und das hat ihm gutgetan. Das Ding ist nicht erstarrt, es ist im Wandel – und das gefällt mir. Allein schon die Frage: Wer wird dieses Jahr gewinnen?“ JAF