überleben in berlin (8): die kreuzotter : Die seltene Schönheit mit dem eleganten Zickzackmuster scheut den Menschen
Im Spandauer Forst gibt es neuerdings wieder ein paar Exemplare des Kaltblüters
Die Großstadt verdrängt viele Tier- und Pflanzenarten. Andere gewöhnen sich an den Trubel – und lassen sich hier nieder. Parallel zur Biodiversitätskonferenz der Vereinten Nationen in Bonn stellt die taz einige bemerkenswerte Berliner vor.
Eigentlich gibt es in Berlin keine Schlangen. Deshalb macht auch eine Schlangenphobie keinen Sinn, wären da nicht die vielen Berliner und Berlinerinnen, die sich solche – mitunter hochgiftigen – Tiere in ihren Wohnungen halten. Von den Hobby-Reptilienzüchtern der Hauptstadt kann echte Gefahr ausgehen.
Was jedoch die einzige Giftschlange betrifft, die einst in Berlin und Umgebung heimisch war, nämlich die Kreuzotter, müsste die Angst vor ihr als Neurose eingestuft werden. Kreuzotterphobie, wozu? Jahrelang wurden keine Vorkommen der akut vom Aussterben bedrohten Schlange mit dem eleganten Zickzackmuster auf dem Rücken mehr registriert.
Das hat sich vor nicht allzu langer Zeit geändert. Im Spandauer Forst gibt es neuerdings wieder ein paar Exemplare der zur Gattung der Vipern gehörenden Kaltblüter. Wo genau ihr Habitat ist, wollen die Naturschützer nicht sagen. Denn wer sie einst vertrieben hat, der Mensch, könnte ihr mit penetranter Neugier erneut den Aufenthalt in der Hauptstadt verleiden.
Aber irgendetwas muss der Kreuzotter, von der man vermutet, dass sie aus Brandenburg eingewandert ist, doch am Spandauer Forst gefallen. Sie bevorzugt jedenfalls Orte mit starker Tag-Nacht-Temperaturschwankung und hoher Luftfeuchtigkeit. Waldschneisen und Waldränder in Nadelwäldern, Moore, Geröllfelder oder feuchte Niederungen sind ihr genehm.
Die tagaktive Schlange, die in der Regel zwischen 50 und 70 Zentimeter lang wird, ernährt sich von Kleintieren wie Mäusen, Fröschen und Co. Sie lauert ihnen auf, beißt im günstigen Augenblick zu, verfolgt die Beute, die durch das Gift erlahmt, und verschlingt sie. Neben solchen Leckerbissen ist Sonne das wahre Lebenselixier der Schlange. Denn bevor sie in Aktion tritt, muss sie sich erst einmal aufwärmen. 30 Grad Celsius hätte ihr Kreislauf schon gern, um etwas zu unternehmen. Schwül-warmes Wetter passt ihr auch. Da ist sie besonders aktiv. In der kalten Jahreszeit zieht sie sich für etwa ein halbes Jahr zum Winterschlaf zurück, am liebsten mit ihresgleichen. Im Frühjahr, bald nach dem Erwachen, ist Paarung angesagt. Die Kreuzotter brütet ihre Eier übrigens in ihrem Körper aus.
Es macht wirklich keinen Sinn, vor Kreuzottern Angst zu haben. Denn wie alle heimischen Schlangen zieht sie es vor, den Menschen gar nicht zu begegnen. Bei Erschütterungen versteckt sie sich sofort unter Steinen oder sonst wo. Menschenschritte sind für das sensible taktile Empfinden der Kreuzottern bereits Erschütterungen, die sie veranlassen, sich zu verziehen. Fühlt sie sich dennoch in die Enge getrieben, zischt sie, bevor sie beißt. Das Gift der Kreuzotter ist in der Regel nur für Kinder und alte Menschen gefährlich.
Die Kreuzottern dürften es in Berlin nicht so einfach haben. Denn sie hat ausgerechnet solche Fressfeinde, denen es in Berlin sehr gut gefällt. Darunter sind Greifvögel. Vor allem der Habicht gilt als Schlangenjäger (siehe taz vom 17. Mai). Auch der Fuchs ist nicht abgeneigt, es mit ihr aufzunehmen. Unglücklicherweise jedoch werden Schlangen auch von Wildschweinen gefressen. Die wiederum führen sich in den Berliner Forsten bekanntermaßen bereits als Könige der Tiere auf.
Menschen mit Schlangenphobien wird dies alles vermutlich kaum beruhigen. Kommt noch hinzu, dass eine andere heimische und ebenfalls auf der Roten Liste stehende Schlangenart, nämlich die Ringelnatter, Berlin als Rückzugsort ausgemacht hat. Immer wieder entdecken Schrebergärtner, dass diese harmlose Schlange in ihrem Komposthaufen wohnt. Die Gärtner sollten auf den Kompost verzichten und sie dort wohnen lassen. Schlangen stehen unter Naturschutz. Für alle gilt deshalb: Wer ein solches Tier fängt, verletzt oder tötet, handelt grob gesetzeswidrig. WALTRAUD SCHWAB
Teil 9 am Samstag: Der Biber