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Archiv-Artikel

Biblische Gewalt

betr.: „Habemus Homo“ von Philipp Gessler, taz vom 12. 7. 08

Dieser Artikel wirft weitere Fragen auf, zum Beispiel, wann distanzieren sich die Kirchen endlich von all den gewalttätigen Stellen in der Bibel und damit von einem blutrünstigen und rachsüchtigen Gott? Mir kommt es so vor, dass die Kirchen an diesem Gottesbild festhalten, weil sie auf dieses Drohpotenzial zur Einschüchterung der Kirchenschafe nicht verzichten wollen. Womöglich haben sich die Priester des Altertums die Schriften genau für diese Zwecke zurechtgeschrieben. Jedem Menschen mit einigermaßen gesundem Menschenverstand müsste eigentlich auffallen, dass es einen krassen Widerspruch gibt zwischen dem Mose, der den Menschen das Gottes-Gebot „Du sollst nicht töten“ brachte, und dem Mose, der bei geringster Verfehlung zur Todesstrafe aufruft.

Wenn Horst Gorski sagt „Der Tod Jesu war nicht notwendig, damit Gott sich mit uns versöhnt und uns vergibt“, tritt er damit genau diesem perversen heidnischen Gottesbild der Kirchen entgegen, deren Gott ein Menschenopfer braucht, um versöhnt zu werden. Es ist nicht verwunderlich, dass sich konservative Kirchenkreise über diese Aussage aufregen, denn genau deren Vorgänger, die damaligen Schriftgelehrten, haben Jesus an Kreuz gebracht. Und das würden sie jederzeit wieder tun, wenn Jesus es wagen würde wiederaufzutauchen.

Und wenn die Kirchen ihre Bibel wirklich ernst nehmen würden, dann hätten sie solche Probleme wie zum Beispiel schwule Bischöfe überhaupt nicht, denn Jesus hat nie eine Kirche mit einem Berufspriestertum gegründet: „Aber Ihr sollt Euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist Euer Meister; Ihr aber seid alle Brüder. Und Ihr sollt niemanden unter Euch Vater nennen auf Erden: denn einer ist Euer Vater, der im Himmel ist.“ (Matthäus 23,8-9)

RALF BÖHM, Berlin

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