: Schulrebell mischt Stuttgarter Koalition auf
Oberschwäbischer Hauptschulrektor kritisiert die Landesregierung und sorgt für Knatsch zwischen CDU und FDP
BERLIN taz ■ Wenigstens fällt die Vorladung auf den ersten Ferientag. „Am Donnerstag habe ich ja Zeit, zur Schulaufsicht zu fahren“, erklärt Rudolf Bosch gereizt. Das Hickhack um seine Person habe seine Arbeit als Schulleiter nämlich enorm behindert. Bosch, Rektor einer Ravensburger Hauptschule, hat schon vor einem Jahr als Mitanführer der „Oberschwäbischen Rebellen“ das Missfallen seines Dienstherrn erregt. Aus seinem Büro ging ein offener Brief an Kultusminister Helmut Rau (CDU), in dem die Abschaffung der Hauptschule gefordert wurde.
Doch diesmal haben Boschs kritische Äußerungen auch Zwist in der Koalition von CDU und FDP gesät. Erst letzte Woche hatten sich beide auf eine Bildungsreform geeinigt. Ab 2009 will die Landesregierung unter Günther Oettinger (CDU) bis zu 500 Millionen Euro in die Schulen pumpen, zusätzliche Lehrer einstellen und die Klassen verkleinern. So hofft die CDU auch, die leidige Debatte um die Zukunft der Hauptschule zu beenden. Ministerpräsident Oettinger bekräftigte am Mittwoch, dass am dreigliedrigen Schulsystem nicht gerüttelt werde.
Bosch widerspricht: „Ich kann notariell hinterlegen, dass die Debatte um Hauptschulschließungen nach den Kommunalwahlen wieder auf der Tagesordnung steht“, wiederholte er gegenüber der taz. CDU-Landeschef Stefan Mappus hatte wegen dieser Äußerung indirekt verlangt, den Rektor zu entlassen. „Den Mund verbieten sollte man in der Demokratie niemandem“, entgegnete FDP-Fraktionschef Ulrich Noll. Worauf Mappus in die andere Richtung austeilte und Noll als „Outlaw einer Koalition“ bezeichnen ließ.
„Herr Mappus hat seinen Äußerungen nichts hinzuzufügen und nichts zurückzunehmen“, sagt CDU-Fraktionssprecher Hans Klöppner zur taz. Mit dem Begriff Outlaw solle zum Ausdruck kommen, dass sich Noll außerhalb der üblichen Regeln einer Koalition bewege.
Die übliche Regel in einer CDU-dominierten Koalition, die gerade mal ein Sitz von der absoluten Mehrheit trennt, heißt für die FDP: kuschen und schweigen. Noll fordere keine Entschuldigung, er wolle keinen Streit, sagt ein Sprecher der FDP-Fraktion.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Gelben bildungspolitisch an den Schwarzen reiben. FDP-Justizminister Ulrich Goll hatte angeregt, statt verbindlicher Schulempfehlungen nach der Grundschule die Eltern entscheiden zu lassen. Das wies Kultusminister Rau ab. Die Grünen registrieren von der Oppositionsbank, dass der Ton rauer wird. „Bei der CDU liegen die Nerven blank“, meint ein Sprecher.
Bosch hat mit seiner Kritik einen wunden Punkt getroffen: Baden-Württembergs Hauptschulen gehen die Schüler aus. Von den rund 1.200 Hauptschulen können 700 nur noch eine Klasse pro Jahrgang eröffnen. Gerade Schulen im ländlichen Raum sind deshalb latent von Schließung bedroht. Eine Horrorvorstellung für die meist konservativen Bürgermeister, die – auch mit Blick auf die Kommunalwahlen – die Schule im Dorf behalten wollen.
Bosch lässt sich deshalb in seiner Kritik nicht beirren: „Ich sehe die Bemerkungen des CDU-Chefs als Einschüchterungsversuche und werde mich dagegen zur Wehr setzen.“ Dabei weiß Bosch nicht nur die 400 Kollegen an seiner Seite, die den offenen Brief vom vergangenen Jahr mitunterzeichneten. Hinter der Initiative „Länger gemeinsam lernen“ stehen auch Elternverbände, der baden-württembergische Handwerkstag und Lehrergewerkschaften. Sollten Bosch heute ernsthafte Konsequenzen drohen, will die 44.000 Mitglieder zählende GEW zu Solidaritätsbekundungen aufrufen. Ein Sprecher meint: „Wir stehen Gewehr bei Fuß.“ ANNA LEHMANN