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Archiv-Artikel

„Wir reformieren permanent“

Thalia-Intendant Ulrich Khuon wehrt sich vehement gegen Vorwurf der Unflexibilität, der Überteuerung und des Zuschauerschwundes und mahnt auch für den Hamburger kulturpolitischen Diskurs neue Sachlichkeit an

Sauber recherchierte Fakten gegen populistische Plattitüden setzen

von PETRA SCHELLEN

„Wenn wir nicht ständig intern reformiert hätten, gäbe es uns längst nicht mehr. Und wenn unsere Förderer nicht einen beträchtlichen Betrag beisteuerten, könnten wir – die Zuschüsse wurden ja 1993 eingefroren – keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.“

Thalia-Intendant Ulrich Khuon und Geschäftsführer Ludwig von Otting sind verärgert über das Niveau des aktuellen kulturpolitischen Diskurses, der senatsseitig von wenig Sachkenntnis getrübt sei und Details ignoriere. Bei 29,77 Prozent habe die Eigenfinanzierung des Thalia, bei 19,16 Prozent die des Schauspielhauses in der Spielzeit 2000/2001 gelegen; zum Vergleich die Zuschussverteilung: 30,9 (Thalia) versus 38,1 Millionen Mark (Schauspielhaus).

Auch in puncto Zuschauerzahlen liegt das Thalia vorn: Mit 234.000 Besuchern lag es deutlich vor dem Schauspielhaus (167.000). „All dies soll nicht nach nachbarschaftlicher Missgunst klingen. Aber die Frage muss erlaubt sein, ob die Häuser einander hier nicht angenähert werden könnten“, betont Khuon.

Doch der Intendant will nicht nur lokalpolitisch hadern, sondern sieht in der Tatsache, dass Gehaltsverzicht der Theatermitarbeiter bundesweit als Lösung gefeiert werde, die Verweigerung eines grundlegenden Diskurses: „Angesichts dessen, dass nur 0,3 Prozent des Bundeshaushalts für Kultur ausgegeben werden, ist es absurd zu glauben, Theaterschließungen könnten die Haushalte sanieren. Eine völlig übersteigerte Heilserwartung.“ Absurd sei auch die Idee, die festen Theater bundesweit abzuschaffen, weil andere Länder auch keine hätten. „Dies ist es doch, was in Zeiten der Globalisierung Orte unverwechselbar macht. Oder können Sie sich vorstellen, dass Ägypten seine Pyramiden abreißt, nur weil andere Länder auch keine haben?“

Ins Reich der Fabel verweist er auch die These vom Kulturparadies Deutschland: „Die Bundesregierung investiert 113 Euro pro Einwohner für Kultur – weniger als Österreich (180 Euro) und Frankreich (178 Euro). Und auf welchen Fakten basiert die Behauptung, dass die Theater unflexible Apparate seien? Die Bühnen haben in den letzten Jahren enorm reformiert und rationalisiert: Von 45.000 Stellen haben die Theater bundesweit in den letzten Jahren 6.000 abgebaut.“ Am Thalia etwa habe das Probebühnen-Modell, das umbauarme Proben bis kurz vor der Premiere erlaubt, massiv Kapazitäten eingespart.

Und schließlich die ewig wiedergekäute These, den Theatern liefen die Zuschauer weg: „Seit 30 Jahren ist die durchschnittliche Zahl der Besucher – rund 17.000 – gleich gebleiben. Es kann innerhalb einer Stadt vielleicht Umverteilungen der Publikumssegmente geben. Aber von grundlegender Theatermüdigkeit kann keine Rede sein.“

Vielleicht eher von argumentativer Einfallslosigkeit der VerantwortungsträgerInnen: „Das, woran wir derzeit kranken, ist die öffentliche Vorstellung vom Theater als letztlich verzichtbarer Dekoration. Und als Institution, die immer die Hand aufhält. Dies offenbart eine verkürzte Wahrnehmung, die ignoriert, dass Theater neue Horizonte eröffnen und das Wechselspiel von Stabilität und Instabilität sichtbar machen. Eine gerade in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs nötige Draufsicht.“

Deshalb fordert Khuon – bewusst antizyklisch – eine Zuwendungserhöhung für die Staatstheater. „Auch und gerade dann, wenn die Krise am größten scheint.“