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Archiv-Artikel

Was Schmidt jetzt schafft, muss Rürup nicht besorgen

Gesundheitspolitik ist das Dauerthema. Die SPD-Sozialministerin muss ihre Konzepte gut verkaufen, wenn sie sich gegen Schröder und Rürup durchsetzen will

BERLIN taz ■ Keine Briefmarke passt dieser Tage zwischen Kanzler Gerhard Schröder und seine Sozialministerin Ulla Schmidt. „Keine Differenzen!“ gebe es in Sachen Umbau der Sozialsysteme, betonte Schmidt noch einmal, bevor sie am Montag bei der SPD-Klausurtagung in Wiesbaden ihren Platz einnahm. Hier sollte es schließlich auch um die anstehenden Reformen im Gesundheitssystem gehen, voraussichtlich der Dauerbrenner der Saison.

Allerdings ist es schon möglich, dass das Kanzleramt Schmidt ein wenig vor sich hertreiben wollte, als es vor Weihnachten ein „Thesenpapier“ mit ein paar Reizworten verfasste. „Beitragsrückerstattung für kostenfreie Jahre“, „Wahltarife mit Eigenleistungen“ wurden hier gefordert – Ideen, die Schmidts ärgster Konkurrent von der Union, Exgesundheitsminister Horst Seehofer von der CSU, sogleich und freudig als seine eigenen erkannte. Kern dieser Vorschläge: Wer nicht zum Arzt geht oder sich bereit erklärt, Behandlungskosten bar und privat zu begleichen, soll weniger Kassenbeiträge zahlen dürfen.

Auch Bert Rürup, Chef der nach ihm benannten Kommission zur Reform der Sozialsysteme, hat bereits seine Freude darüber bekundet, dass Wahltarife in der SPD kein Tabu mehr seien. Sollte sich seine Kommission also wie geplant zum Herbst auf überhaupt etwas einigen, könnte es sein, dass Wahltarife in irgendeiner Version dabei sind.

Schmidt jedoch ist erklärte Wahltarifs-Feindin. Genauer gesagt: Sie ist gegen Wahltarife, durch die junge und gesunde Beitragszahler belohnt würden. Schmidt will „Bonussysteme“ einführen, die erwünschtes Verhalten – das Aufsuchen eines Hausarztes, Vorsorgeuntersuchungen – belohnen. Schmidt wird ihre eigenen Konzepte gut verkaufen müssen, wenn sie sich gegen Kanzleramt, Rürup und eine allgemeine Stimmung, wonach Beitragszahler insgesamt entlastet werden sollen, behaupten will.

Wer ihr dabei hilft, ist der prominente und überaus einflussreiche Kölner Gesundheitsökonom Karl Lauterbach, günstigerweise ebenfalls Mitglied der Rürup-Kommission. Über die Aufgabenteilung zwischen Schmidt und der Kommission sagte Lauterbach gestern zur taz: „Je mehr Geld wir durch Schmidts Reformen in diesem Jahr einsparen, desto weniger muss die Rürup-Kommission langfristig besorgen.“

ULRIKE WINKELMANN