Ausgekehrt

In der Oderberger

Inzwischen ist ausgekehrt. Nur wenige Fassaden noch, dann sind alle Häuser in der Oderberger Straße frischgemacht für die neue Zeit. „Die Katastrophen sind doch alle an uns vorbeigegangen“, sagt ein Neuberliner zu seinen Besuchern auf der Terrasse eines Cafés.

Laufsteg Bürgersteig: Bildschöne Frauen gehen an diesem Abend im Kiez ihres Weges, und nicht nur an diesem. Das hat sich ja herumgesprochen. Im Foodmarkt um die Ecke gibt es 24 Stunden, jeden Tag gekühlten Riesling, Kerner, Prosecco und was man an nahrhaftem Essen sich wünscht. Es gibt Caipirinha to go, Cocktails für unterwegs. Sie werden aus mobilen Straßenbars gereicht, und auf der anderen Seite setzen Investoren den exklusiven Marthashof, das No-Compromise-Village, in den märkischen Sand. „Geld spielt doch überhaupt keine Rolle“, sagt der Neuberliner am Nachbartisch.

Auf dem Gesicht des Mannes geht die Sonne unter, ihr gleißendes Licht fällt einen Moment lang direkt in die Straße. Gespannt sein darf man auf das geplante Facelifting der Oderberger, die Fahrbahnsanierung. Lifestyle im Überfluss, davon lebt dieser Kiez zurzeit und recht ordentlich auch von Touristen, die das gerne sehen wollen. „Die ab 30 sind doch alle Dinos“, weiß der Neuberliner.

Ich verlasse den Biertisch und steige den Hang im Mauerpark hoch. Der Abendhimmel wirkt sehr schön idyllisch von einer Bank aus. Dann ätzt einer, im Befehlston, aggressiv, dass er hier sitzen will. Die Bank nebenan wäre frei, zum Beispiel. „Wird Zeit, dass du weiterkommst!“, zischt er. Ich mustere den Jugendlichen; er sitzt voll mit Wut. Sie wirkt wie ein Gegengift in dieser blühenden Landschaft.

GUNDA SCHWANTJE