: Höchste Zeit
Das 8. Bremer Filmsymposium untersucht „Zeitsprünge - Wie Filme Geschichte(n) erzählen“
taz ■ „Die Zeitmaschine“ ist nicht nur ein gut gealterter und deshalb immer wieder gerne gesehener Filmklassiker von 1960, sondern auch eine schöne Metapher für das Kino selber. Hier können wir in die Vergangenheit oder Zukunft reisen, längst Verstorbene werden vor unseren Augen wieder lebendig, ganze Lebensläufe und Epochen können in kurze Filmsequenzen komprimiert werden. Mit Schnittfolge, Zeitlupe und Zeitraffer wird die Zeit verlangsamt oder beschleunigt, und jeder hat schon die schnell fallenden Kalenderblätter gesehen, die im klassischen Hollywoodkino das Vergehen von Zeit symbolisierten.
Da war es höchste Zeit, dass sich das vom Waller Medienzentrum und der Bremer Universität organisierte Internationale Bremer Symposium zum Film nach Themen wie Filmkritik, motion & emotion, Stars und Geschlechtsidentitäten nun dieses komplexen Aspektes des Mediums annimmt. In elf Vorträgen wird von Freitag bis Sonntag im Kino 46 untersucht, „wie Filme Geschichte(n) erzählen“, und zu jedem Vortrag wird (allerdings aus Zeitgründen nicht unmittelbar danach) ein Film gezeigt.
Der Leiter der Kinematek des Deutschen Historischen Museums Berlin, Rainer Rother, legt als erster Sprecher (Fr. 14.30 Uhr) das filmgeschichtliche Fundament des Symposiums, wenn er unter dem Titel „Jahrtausende sausen vorbei“ darüber referiert, wie in den Stummfilmen Methoden und Konventionen entwickelt wurden, verschiedene Zeitebenen und Epochen zu montieren. Während im Kino Zeit meist komprimiert wird, gibt es in einigen Filmen auch die entgegengesetzte Bewegung, bei der die Zeit gestreckt oder stillgelegt wird. Klaus Kreimeier von der Universität Siegen untersucht diese „Extension bis zum Nullpunkt“ (Sa. 13.30 Uhr).
Über die Rückblende spricht Maureen Turim von der University of Florida in ihrem in Englisch gehaltenen Vortrag „Subjectivity of Time and History“ (Sa. 15 Uhr) am Beispiel von Filmen, die sich mit der Judenvernichtung beschäftigen und dabei mit „modernist Holocaust flashbacks“ arbeiten. Dass die Zeit auch Spuren am Filmmaterial hinterlässt, macht Stefan Drössler vom Filmmuseum München deutlich, der „Über die Schwierigkeiten der Film-Rekonstruktion“ (So. 17.30) am Beispiel von Max Ophüls „Lola Montez“ berichtet. Die Bilder, die wir von den aktuellen Kriegen bekommen, und die Art, wie „Kriegsführung und Kriegsberichterstattung zunehmend zusammenfallen“, problematisiert der Essayist Harun Farocki in seinem Beitrag „Kein Bild traf – oder: Fernsehbomben“ (So. 16 Uhr).
Gegenwärtig haben einige Filme großen Erfolg, die ihre Spannung und ihren Witz aus dem möglichst verschachtelten Spiel mit den Zeitebenen schöpfen. Zwei davon werden untersucht: Thomas Elsaesser von der Universität Amsterdam analysiert in seinem Vortrag „Now, where was I...“ (So. 13 Uhr) Christopher Nolans „Memento“, der konsequent „von hinten nach vorne“ erzählt, und Carmen Pena Ardid von der Universität Saragossa untersucht „die postrealistische Ästhetik Alejandro Amenábars“ (Fr. 16 Uhr), dessen „Abre los ojos“ in Hollywood als „Vanilla Sky“ amerikanisiert wurde.
Alain Resnais „Letztes Jahr in Marienbad“ und die „Desorientierung filmischer Chronologie“ ist Thema von Ursula von Keitz (So. 14 Uhr). Stargast des Symposiums ist Nouveau-Romancier Alain Robbe-Grillet. Er schrieb das Drehbuch des Resnais-Films und wird seinen eigenen Streifen „L’homme qui ment“ („Der Mann, der lügt“) vorstellen (Sa. 20.30 Uhr). Wilfried Hippen
Die Filme zu den Vorträgen sind mit Termin und Kurzkritiken am Donnerstag in der Kinotaz zu finden. Das gesamte Programm im Internet: www.kino46.de