Der Planet des Roboters

In „WALL·E - Der Letzte räumt die Erde auf“ von Andrew Stanton denkt auf der Erde nur noch das Blech

Die Animatoren im Pixar-Studio können auf ihren Computern inzwischen scheinbar jede gewünschte Welt in jedem gewünschtem Look hervorzaubern. Und weil es nun keine Herausforderung mehr für sie ist, jedes einzelne Haar im Fell eines Tieres so zu entwerfen und dreidimensional in Bewegung zu versetzten, dass viele Realfilme im Vergleich unecht aussehen, lassen sie sich die kniffligen Aufgaben schon in die Drehbücher hineinbasteln. Wer ist nicht angeekelt, wenn er eine Ratte durch die Küche huschen sieht? Also machen sie in „Ratatouille“ den Nager zum Chefkoch. Eine verbeulte Blechkiste ist wohl der unattraktivste Protagonist, den man sich denken kann. Also handelt die neue Pixar Produktion von einem kleinen Roboter.

Klein, verbeult und mit großen, traurigen Sehwerkzeugen appelliert dieser „Wall-E“ sofort an die Schutzinstinkte der Zuschauer, und wenn man dann sieht, mit welchem Eifer er seine so offensichtlich sinnlose Arbeit verrichtet, wird einem sofort klar, das Sisyphos nicht nur, wie bei Camus, eine glückliche, sondern auch eine liebenswerte Figur sein kann. Dieser mechanische Müllsammler ist das letzte Geschöpf auf der Erde - abgesehen von einer Küchenschabe, die in bester Disney-Tradition ihrem großen Freund überallhin folgt. 700 Jahre in der Zukunft ist die Erde völlig zugemüllt, und was in einer majestätischen Totale zum Beginn des Films wie ein menschenleeres Manhattan aussieht, entpuppt sich schnell als ein Metropolis aus Abfall, der kunstvoll zu Wolkenkratzern aufgeschichtet wurde. Als einzige noch funktionstüchtige Maschine sammelt Wall-E immer weiter Müll, presst ihn in seinem Bauch zu handlichen Quadern, die er dann ordentlich stapelt. Nach Feierabend rollt er in seinen Container, in dem er seltsame Relikte der vergangenen menschlichen Kultur sammelt. Sein wertvollster Fetisch ist eine ausgeleierte VHS-Kassette des Hollywood-Musicals „Hello Dolly“, von der er nur immer wieder den gleichen kurzen Ausschnitt von einer besonders kitschigen Szene abspielen kann. Dies ist wahrhaftig kein Shakespeare und kein Bach - aber durch diesen letzten Schatten menschlicher Kultur erfährt „Wall-E“, was Liebe ist - und so ist er bereit dazu, ein romantischer Held zu werden, wenn schließlich ein Raumschiff auf der verlassenen Erde landet, und Wall-E eine schneeweiße Roboterin namens “Eve“ trifft.

Von dieser einfachen und erstaunlich effektvoll erzählten Romanze weitet sich der Film in eine komplexe Science-Fiction Geschichte aus, bei der Wall-E und Eve dann doch noch auf Menschen treffen, die sich seit vielen Generationen auf einer scheinbar nie endenden Weltraum-Kreuzfahrt von den Maschinen eines Konzerns mit dem Namen Buy N Large bedienten lassen, und zu dessen dicken, passiven und dummen Anhängseln verkommen sind. Hier wird die Satire auf die Konsumgesellschaft so bissig, dass „Wall-E“ von konservativen Stimmen in den USA schon als antiamerikanisch kritisiert wurde - und das ist ja schon eine Empfehlung für sich. „Wall-E“ ist nun endgültig der Animationsfilm für ein erwachsenes Publikum, auf den Pixar schon eine ganze Weile hingearbeitet hat. Das kann man als eine marktstrategische Entscheidung werten - wie auch der fast vollständige Verzicht auf Dialoge die Chancen des Films auf den ausländischen, insbesondere asiatischen Märkten vergrößert. Aber wie hier mit den Geräuschen und elektronischen Lauten, die Wall-E und Eve von sich geben, die gesamte Palette von menschlichen Gefühlen ausgedrückt wird, ist eben auch eine Meisterleistung der Sounddesigner.

Wilfried Hippen