BÜNDNIS FÜR ARBEIT: SCHEITERN MUSS KANZLER NICHT STÖREN : Klare Symmetrie der Schuld
Es gibt eine neue Frage für die ewigen Kanzlerbeobachter: Warum tut sich Schröder ein absehbares Scheitern an? Der Kanzler hat doch tatsächlich vor, erneut das „Bündnis für Arbeit“ einzuberufen. Dabei endete die achte Runde vor einem Jahr unerfreulich. Das Ergebnis damals lautete: kein Ergebnis. Und danach sieht es wieder aus, falls man wirklich im Februar oder März tagen sollte. Denn schon jetzt brechen die alten Konflikte auf: Während die Arbeitgeber am liebsten über eine langfristige Lohnmäßigung reden würden, weigern sich die Gewerkschaften, außerhalb der Tarifverhandlungen über Gehälter zu sprechen.
Der Kanzler wird also in seiner Lieblingsrolle als Moderator scheitern – aber wahrscheinlich nicht zu seinem Nachteil. Immerhin wird er hinterher sagen können, dass er sich bemüht hat. Dieses Ziel liegt nah, wird doch die Zahl der Arbeitslosen weiter steigen. Nun würden Schröders Profilierungswünsche die Gewerkschaften und Arbeitgeber wohl kaum motivieren, sich als Verhandlungs-Dummies ins Kanzleramt zu bewegen. Doch, nicht zufällig, decken sich die Interessen. Die Tarifparteien müssen ebenfalls dokumentieren, dass sie sich um die Arbeitslosigkeit sorgen. Scheitern die Gespräche, erzielen auch Arbeitgeber und Gewerkschaften den Mühebonus, jedenfalls bei ihrer eigenen Klientel. Und noch besser: Es lässt sich sogar ein Schuldiger präsentieren. Das ist natürlich immer der andere. Für die Arbeitgeber sind die Gewerkschaften verantwortlich, dass die Jobs nicht zunehmen. Und umgekehrt.
Diese klare Symmetrie der Schuld erklärt auch ein Phänomen, das zunächst überrascht: Warum gibt es schon wieder ein Bündnis für Arbeit, obwohl die Hartz-Kommission gerade erst Ergebnisse produziert hat, die jetzt umgesetzt werden? Warum kehrt man zurück zu dieser etwas altmodischen Zusammensetzung des Bündnisses – hier die Arbeitgeber, da die Arbeitnehmer und dazwischen der Kanzler –, nachdem man es zu einer vielstimmigen Expertengruppe gebracht hat? Aber der erfolgreiche Konsens der Vielen in der Hartz-Kommission ist ja genau das Problem: Trotz Hartz wird es eine Menge Arbeitslose geben. Sogar darin sind sich fast alle einig. Aber irgendjemand muss doch schuld sein! So funktionieren Medien, so funktioniert der demokratische Wettstreit der Parteien. Aber Schuld lässt sich nur verteilen, wo es Differenzen gibt. Deswegen ist das bemühte Scheitern des Bündnis für Arbeit ja so erfreulich für alle diejenigen, die Interessen zu verteidigen haben. Es wird noch eine große Zukunft haben.
ULRIKE HERRMANN