: „Sie ware in Tombola“
Wie ein Bierforscher in eine Weinprobe hineingeriet und unbeschadet herauskam
Ein Fall für Herrn S.! Ich brauchte Hilfe, und nur Herr S. konnte mir helfen. „’allo, ’ier is ’err Gonzales von Pierre Laforest, Sie ’aben ein Weinprobe gewonnen“, hatte es aus dem Telefon geschwanzelt, „wann kann isch zu Ihne komme? Isch bin Dienstag in Frankfort.“ – „Äh, Weinprobe, ich?“, fragte ich. „Ja. ’err Roth, oder? ’err Roth, Sie ware in Tombola. Ein bissschen Käs und Weißbrot, und wir mache Weinprobe. Sie ’aben Tasche gewonnen und Weinprobe. Passt Ihne 19 Uhr? Dienstag?“ – „Ja“, sagte ich und legte auf.
Ich begann zu schwitzen. Als erfahrener Bierforscher verstehe ich von Wein so viel wie Gott von Kirchenwitzen. Ich würde dastehen wie der komplette Dösdepp, wenn mir Herr Gonzales seinen Masclibeaux oder seinen Chansonodoc unter die Nase hielte und ich ganz allein ein Geschmacksurteil abgeben müsste. Außerdem wusste ich nicht im Geringsten, wie ich in diese Tombola hineingeraten war. Es konnte sich ja auch um einen Vorwand für einen eiskalten Überfall mit Raubmord und Erschießen handeln. Also brauchte ich Unterstützung. Ich brauchte einen weinerprobt starken Mann an meiner Seite.
„Sie könne auch Freunde dabei ’aben“, hatte Herr Gonzales noch gesagt. Herr S. war sofort dran. „Du musst kommen, Holger, am Dienstag!“, rief ich. „Was ist los?“, fragte er. „Ich soll eine Weinprobe machen. Also, es kommt da so einer vorbei, und der …“ – „Ach ja. Hat er gesagt, von welchem Weinverleger er kommt?“ – „Weinverleger?“ – „Das sind Vertriebsunternehmen mit Drückern. Weinberater heißen die.“ – „Pierre Laforest, glaub ich.“ – „Wir kaufen nichts, ich komme!“
In meiner Begeisterung über den ad hoc gewährten Beistand lud ich noch Frau C., Frau K., Herrn T. und Herrn H. ein. Sie alle freuten sich, und am Dienstag um 19 Uhr c. t. erschien Herr Gonzales. Noch nicht erschienen waren Frau C., Herr H. und Herr T. Aber Herr S. und Frau K. waren ja da. Zum Aufwärmen hatten wir je ein Flensburger getrunken.
Herr Gonzales schnaufte erst mal zum Mitleid Erregen acht Minuten lang. „Oh, là là!, dritte Stock.“ Dann sagte er, wieder bei Atem: „’ier, Ihre Tasch, die Kosmetiktasch für die Dahm. Plastik auch für Sie.“ Daraufhin zog er aus seinem prall gefüllten Koffer zwei Piccolos. Frau K. hatte Käse und Brot besorgt, ich klaubte irgendwelches weinglasähnliches Trinkgeschirr aus dem Schrank. „Das ist für Schnaps“, sagte Frau K., und Herr Gonzales seufzte.
Es klingelte. Frau C. und Herr T. kamen. Frau C. lief strahlend in den Küchenbereich, sah die Flens-Flaschen, rief: „Mensch, wer hat denn da vorher Bier getrunken?“ und packte weiteren Käse, Brot und Weintrauben aus. Sie stellte sich auf einen gemütlichen Abend ein. Herr Gonzales schaute sich ein wenig die spärlich möblierte Wohnung und die jungen Personen an. Er stopfte die Piccolos zurück in seinen silbernen Koffer. Herr S. schnaufte aus Solidarität.
„Welche Wein möge Sie? Wie viel trinke Sie?“ Herr S. antwortete als Erster: „Zwei Flaschen die Woche.“ – „Aaah, oh, là là!, in die …, äh, zwei’undert Flasche in Jahr“, überschlug Herr Gonzales und blickte hoffnungsfroh Herrn S. an. Währenddessen goß er reihum einen zuckrigen Rosé ein. Wir hauten ihn weg, und schon standen zwei Weiße vor uns. „Diese sechs Euro fünfzig, diese zwölf Euro. Voilà. Sie müsse zwölf Flasche bestellen, und neun Euro Transport.“
Herr S. wusste noch nicht, ich sagte, ich müsste mal überlegen. Den trockenen Weißen, den würde ich gern noch mal probieren. Herr Gonzales griff zum schweren Roten und schenkte mir zwei Fingerbreit ein. Ich schluckte das Zeug hinunter und äußerte noch einmal meinen Wunsch nach Weißem. „Und Sie?“ Herr T. nippte am Roten und sagte: „Ich hab sowieso kein Geld.“ Frau C. lachte, und Frau K. sagte, nun ja, zwölf Flaschen auf einmal, das sei vielleicht ein bisschen viel. „Dann mache Sie ’albe-’albe“, sagte Herr Gonzales. Ich sagte, nee, ’schuldigung, ich könne mich grad nicht entscheiden.
„Aber, sagen Sie mal, wie lange machen Sie das denn schon?“ Herr Gonzales verstaute die Weißen im Koffer, sagte: „Weinprobe is Blabla“, strich über das Bestellformular, das vor ihm lag, und fragte: „Mache Sie ’albe-’albe?“ Herr S. schüttelte den Kopf, Frau C. kaute Weintrauben, und Herr T. sagte: „Ich würde noch mal einen Schluck von diesem Roten nehmen.“ – „Der ist gut“, ermunterte ihn Herr S., „ein Medoc“. Doch die Flasche war bereits verkoffert. „Isch muss in ’otel“, sagte Herr Gonzales. „Kommen Sie, trinken Sie noch ein Glas mit uns. Ich hab einen Super-Dornfelder!“, lud Frau C. Herrn Gonzales ein. Er stand aber schon fast in der Tür, Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Wir bedankten uns, und Herr Gonzales war verschwunden.
Herr H. kam zehn Minuten später. Wir erzählten ihm alles. Er genoss es in vollen Zügen. Den Abend begossen wir mit Flensburger. JÜRGEN ROTH