: Die Retromänner
Echte Profis: Die Superband Audioslave erledigte in der ausverkauften Columbiahalle souverän ihr Rockgeschäft
Plötzlich geht es um den Irakkrieg. Chris Cornell murmelt seine Ablehnung ins Mikro, wie sehr er das augenblickliche Vorgehen der US-amerikanischen Regierung verachte, überhaupt deren Politik. Man ist ganz überrascht, als er das alles sagt, denn Cornell ist mit seiner alten Band Soundgarden und nach deren Auflösung auch als Solokünstler nicht gerade als Musiker in Erscheinung getreten, der gern politische Statements abgibt. Ja, Cornell bestand sogar darauf, keine politischen Texte singen zu müssen, als er sich vor einiger Zeit mit drei Exmusikern der Polit-Crossover-Band Rage Against The Machine zu der Rock-Supergruppe Audioslave zusammenschloss. Vielleicht ist er diese öffentlichen Äußerungen zur Irakpolitik seinen neuen Mitmusikern schuldig, vielleicht sind sie ihm tatsächlich ein Bedürfnis.
Ansonsten aber hat das Audioslave-Konzert in der ausverkauften Columbiahalle etwas sehr geschäftsmäßig-professionelles. Anderthalb Stunden Konzert für rund dreißig Euro Eintritt. Rockmusik für ein Rockpublikum, ohne dass beiden Seiten die Absicht haben, groß aus dem Häuschen zu geraten. Keine Spur hier von der überschäumenden Begeisterung, die Stunden später das Maria beim Auftritt von International Pony regierte (langes, geduldiges Anstehen vor der Tür, tanzende Mädchen und Jungs auf der Bühne, Brodel und Hektik, großer Spaß, Wahnsinnslaune etc).
Audioslave spielen ihren Stiefel, beginnen mit „Light My Way“ und arbeiten sich bis zur Rage-typischen Vor-und-Zurück-Zugabe „Cochise“ durch ihr Album. Dabei fühlt man sich abgestoßen, ist dann aber auch fasziniert. Bei Audioslave gibt es kein Lonertum, kein Aufbegehren, geschweige denn, dass ihr Rock einen Bruch mit einmal markierten Formaten anstrebt. Wie retro das alles ist, wie siebziger, wie bombastisch! Restauration, Männer! Dann aber denkt man: Wie stumpf-beherrscht und gut die sind! Cornell knödelt sich in Jeans und Muskel-Shirt und bar jeder Zweifel durch die Songs und gibt vor, weder Märtyrer noch gar ein Prophet zu sein! Ja, „show me how to live“ eben.
Und die Ex-Rage-Musiker bearbeiten wirklich filigran die Saiten und holen an den richtigen Stellen den Bohrer raus. Am besten aber sind die Balladen. Gegen „Like A Stone“ tauscht man locker fünf „Under The Bridge“. Als aber die Zugabe gespielt ist, ist auch Ende. Kein Nachhall, kein nichts, schnell raus. Da ging es bei International Pony doch viel toller zu. Deren Auftritt schien nie aufzuhören. GERRIT BARTELS