: Operation Stasi-West
Das Ermittlungsverfahren gegen G 8-Gipfel-Gegner nach dem Terrorparagrafen 129 a ist eingestellt worden. Der Staats- und Verfassungsschutz hat sich damit eigentlich blamiert. Dennoch ist das Ziel der Durchforschung der linken Szene erreicht worden
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlegten die Alliierten Deutschland eine strikte Trennung von Geheimdienst und Polizei auf. Damit sollte verhindert werden, dass je wieder eine Geheime Staatspolizei wie bei den Nazis entsteht. Von dieser formellen Trennung ist in der Realität nichts mehr geblieben. In Hamburg etwa gibt es turnusmäßige Lagebesprechungen von polizeilichem Staatsschutz und Verfassungsschutz. KVA
VON KAI VON APPEN
Es war ein verzweifelter Schuss ins Ermittlungsloch – und so ist es nicht verwunderlich, dass die Ermittlungsbehörden die 18 Verfahren gegen G 8-Gipfel-Gegner aus Hamburg und Bremen sang- und klanglos beenden mussten. In den Schreiben, die die G 8-Gegner erhielten, stand eine einzige dürre Zeile: „Das Verfahren gegen Sie ist eingestellt.“ – „Nicht ist übrig geblieben, wie so oft in 129 a-Verfahren“, sagt Anwältin Britta Eder. Dennoch hat die Bundesanwaltschaft ihr eigentliches Ziel erreicht: Die linke Szene zu durchforschen. Genau dafür ist die Waffe des Paragrafen 129 a Strafgesetzbuch in der Terrorhysterie der 70er Jahre geschaffen worden.
Frühjahr 2007: Im Juni wollen sich die Regierenden der acht mächtigsten Industriestaaten zum Wirtschaftsgipfel im mecklenburgischen Heiligendamm versammeln. Monate vorweg gibt es bereits eine Serie von Sachbeschädigungen, die sich gegen die Repräsentanten der Global Player-Doktrin richten. So im Dezember 2006 beim Hamburger Bundeswirtschafts-Staatssekretär Thomas Mirow (SPD), als der Mini-Cooper seiner Frau in Flammen aufgeht. Bekennerschreiben gegen den Wirtschaftsgipfel tauchen auf.
Bundesanwältin Monika Harms zieht daraufhin die Ermittlungen an sich und leitet ein 129 a-Verfahren wegen „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ ein. Das erlaubt ihr, in Grundrechte einzugreifen. So werden die Telefone und Handys sowie der E-Mail-Verkehr von 18 Beschuldigten und deren Bekannten überwacht. „Sie sind nach dem Muster vorgegangen: Wem trauen wir Alt-Erfahrenen solche geistigen Leistungen zu und welche Jungen könnten solche Taten ausführen“, sagt Anwalt Andreas Beuth. Von der gesetzlichen Trennung Geheimdienst und Polizei gebe es „keine Spur mehr“.
So sind nach Aktenlage Berichte des Bundesamtes für Verfassungsschutz in die polizeilichen Ermittlungen des Bundeskriminalamts eingeflossen und unhinterfragt verwendet worden. Das führte dazu, dass besonders der Hamburger Physiker Fritz Storim, der für die Messstelle für Arbeit und Umwelt der Universität Bremen (MAUS) arbeitet, als auch der Leiter einer ambulanten Pflegedienststelle Joachim Täubler überwacht wurden. Täublers Wohnung wurde systematisch verwanzt. Jeder Mucks – auch im intimsten Bereich im Schlafzimmer – wurde aufgenommen. Die Telefone seiner Dienststelle wurden angezapft und die Kollegengespräche mit Patienten abgehört. „Er war der staatlichen Überwachung wie Verwanzung der Wohnung und Videoüberwachung des Hauseingangs besonders stark ausgesetzt“, sagt Fritz Storim. Täubler starb, bevor das Verfahren eingestellt wurde.
Im Juni 2007 werden das autonome Stadtteilzentrum Rote Flora in Hamburg und die MAUS in Bremen bei einer Razzia gefilzt, doch es kommt noch härter. Wie sich herausstellt, durchleuchten Staatsschützer den Briefverkehr ganzer so genannter Szene-Stadtteile im Postamt Hamburg-Altona. Zwölf Fahnder waren dort rund um die Uhr im Einsatz, bis die Aktion durch einen Bericht der taz aufflog.
Den Beschuldigten der Razzia werden so genannte Geruchsproben abgenommen. Sie müssen auf einen Stab ihren Handschweiß auftragen, der dann von speziell ausgebildeten Spürhunden mit Tatort-Spuren der Sachbeschädigungen abgeglichen wird – eine Methode, die das Ministerium für Staatssicherheit der DDR entwickelt hat.
Doch alle Maßnahmen führen zu keinen Erkenntnissen, und so erklärt der Bundesgerichtshof im Dezember 2007 alle Maßnahmen der Bundesanwaltschaft für rechtswidrig und verweist das Verfahren an die Staatsanwaltschaft Hamburg zurück. Die Bundesanwaltschaft sei von Anfang an nicht zuständig gewesen. Es habe zu keinem Zeitpunkt ein hinreichender Tatverdacht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung vorgelegen. Bloße Sachbeschädigungen könnten die Gesellschaftsordnung Deutschlands nicht erschüttern. In der Folge gab auch die Staatsanwaltschaft Hamburg klein bei: „Der Tatverdacht hat nicht ausgereicht, um Anklage zu erheben“, sagt Sprecher Wilhelm Möllers.
„Das Konzept der Einschüchterung und Spaltung des Widerstands gegen den G 8-Gipfel ist nicht aufgegangen“, sagt Fitz Storim. Dennoch hätten Bundesanwaltschaft, Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt erreicht, was sie vorhatten: „Sie haben Daten gesammelt und Strukturen durchleuchtet.“