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Archiv-Artikel

Die Selbstherrlichkeit der Asylentscheider

Stellt das Oldenburger Bundesamt für Asyl die Weichen neu? Den Asylfolgeantrag eines Togoers lehnte das Amt ab, obwohl die regierungsnahe Presse harte Strafen für „Hochverräter“ wie ihn fordert. Eigenwillige Begründung der Entscheider: In Togo könnten solche Zeitungsartikel „gekauft“ werden

Von ede
„Alles käuflich? – Damit werden Asylentscheidungen absolut willkürlich“

taz ■ Die Entscheider des Bundesamtes zur Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, kurz: Asylbundesamt, gehen in Oldenburg neuerdings weit. Den Asylfolgeantrag eines 20-jährigen Togoers aus Bruchhausen-Vilsen wollen sie nicht einmal zur Prüfung annehmen. Dabei hat der junge Flüchtling seinem Zweitantrag einen Zeitungsartikel beigefügt, der zu denken gibt: In der regierungsnahen togoischen Wochenzeitung Nouvel Eclat wird Vignon K. in die Nähe von Hochverrätern gerückt und namentlich genannt. Der Anwalt des Flüchtlings, der sich in Bremen als Trommler und Musiker insbesondere mit der togoischen Exilgruppe Elavanyo einen Namen gemacht hat, will seinem Mandanten nun eine letzte Chance erkämpfen. Sonst droht dem jungen Mann noch in dieser Woche die Abschiebung. Denn sein erster Asylantrag wurde in allen Instanzen abgelehnt.

In dem Zeitungsbericht aus Togo heißt es, Vignon K. ziehe – wie viele andere Flüchtlinge auch – seine Heimat im Ausland „in den Dreck“. Kehrten solche Leute nach Togo zurück, so müssten „ihre Akte des Hochverrats schwer bestraft“ werden. Diese Forderung des Blattes, das der regierenden Partei von Diktator Gnassingbé Eyadéma zugerechnet wird, bestärkt frühere Aussagen in der regierungsnahen Presse. Weiter heißt es in Nouvel Eclat: Die andauernde Kritik der Oppositionellen am Regime Eyadémas insbesondere in Deutschland sei der Grund, warum das Land in großer wirtschaftlicher Bedrängnis stecke. Kein Wort davon, dass die Europäische Union ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem dienstältesten Diktator Afrikas auch wegen ständiger Menschenrechtsverletzungen eingefroren hat. Doch auf all das geben die Asyl-Entscheider rein gar nichts.

„In Togo ist es ohne weiteres möglich, durch entsprechende Kontakte und Bezahlung von Geldern einen Artikel mit gewünschtem Inhalt in einer beliebigen Zeitung zu veröffentlichen“, begründeten sie, warum der Flüchtling bei ihnen nicht einmal mehr Gehör finden soll. Dabei stützen die Asylentscheider sich allgemein auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Aachen, das wiederum auf eine Einschätzung des Auswärtigen Amtes zurückgeht – das sich dazu gestern nicht äußern wollte.

Eine richterliche Entscheidung, dass das Bundesamt sich mit seinem Fall doch auseinander setzen muss, wäre für den Togoer jedoch schon ein Gewinn. Darauf arbeitet jetzt Anwalt Günter Werner beim zuständigen Verwaltungsgericht in Hannover hin. Die Haltung des Oldenburger Bundesamtes müsse dringend korrigiert werden, fordert er. Schließlich liege der Artikel über seinen Mandanten im Original vor. „Auf welche Weise es möglich sein soll, bei einer Zeitung, die ganz offensichtlich das in Togo herrschende Regime unterstützt, einen Artikel ‚zu bestellen‘, ist nicht ansatzweise nachvollziehbar“, kritisiert Günter Werner die Feststellungen der Bundesamts-Vertreter. Auch das Argument, der Mann hätte seinen Folgeantrag schneller stellen müssen, pariert er: „Mein Mandant hat erst im Oktober von der Veröffentlichung erfahren.“ Daraufhin sei er aktiv geworden. Wegen anderer exilpolitischer Aktivitäten wie etwa der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen einen Folgeantrag zu stellen, habe sein Mandant nicht geplant gehabt. Es sei ja bekannt, dass dies für die nachträgliche Anerkennung als Flüchtling nicht ausreiche. Insofern habe erst der Zeitungsartikel eine neue Lage geschaffen. Diesen nun einfach als „bestellt“ zu diffamieren, sei aus Sicht des Antragstellers absolut willkürlich. „Ein Asylantragsteller ist bei einer solchen Entscheidungspraxis offensichtlich ein Mensch, dem in jeder nur denkbaren Hinsicht und bei jeder sich stellenden Frage Täuschung und Betrug unterstellt wird“, kritisiert der Anwalt.

Das Problem reicht aus Sicht des Bremer Juristen jedoch viel weiter: „Wie kann ein Flüchtling aus Togo unter solchen Voraussetzungen überhaupt noch belegen, was ihm im Heimatland droht oder widerfahren ist?“, fragt Werner. Die Entscheidungen des Bundesamtes würden auf Grund der Annahme, dass alles in Togo zu kaufen und zu bestellen sei, künftig „absolut willkürlich“.

Und noch ein Problem hat der Anwalt: Nach geltender Gesetzeslage sei Ziel des Asylverfahrens, die Asylgründe eines Antragstellers ernsthaft zu würdigen. Dies sehe er schon nach der jüngsten ablehnenden Entscheidung in Frage gestellt. Dabei sei es die Aufgabe der Entscheider, die Gefährdungslage des Flüchtlings einzuschätzen – die nach Ansicht Werners in den letzten Monaten sogar zugenommen hat.

Dies bestätigen in Bremen auch evangelische Kirchenleute. So sei Vertretern der in Togo aktiven „Norddeutschen Mission“ nach einem kritischen öffentlichen Pastoralbrief bedeutet worden, dass selbst die Sicherheit von offiziellen Kirchenvertretern nicht mehr gewährleistet werden könne. Die bisherigen Aktivitäten der Norddeutschen Mission gelten als einer der Gründe, warum in Bremen eine der größten togoischen Exilgemeinden in Deutschland zu Hause ist. ede