SPD: Bundeswehr soll draußen bleiben

Widerstand in SPD-Fraktion und Bundesrat gegen die Verfassungsänderung zur Bundeswehr im Innern. SPD-Politiker Wiefelspütz sieht wenig Raum für Kompromiss. Zweidrittelmehrheit im Bundestag fraglich, im Bundesrat fast ausgeschlossen

AUS BERLIN CHRISTIAN RATH

Die Grundgesetzänderung zur neuen Rolle der Bundeswehr im Inland könnte scheitern. In der SPD-Fraktion gibt es viele kritische Stimmen. Doch selbst wenn die große Koalition eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag zustande bekommt, droht das Aus im Bundesrat, wo die gleiche Mehrheit erreicht werden muss.

Am Sonntagabend hatte der Koalitionsausschuss beschlossen, dass künftig die Bundeswehr zur Abwehr von Terroranschlägen im Inland eingesetzt werden kann, „wenn polizeiliche Mittel nicht ausreichen“. Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU), Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) hatten sich zuvor auf einen entsprechenden Gesetzentwurf geeinigt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der neue starke Mann der SPD, sorgte dafür, dass das Thema kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt wurde, um die Handlungsfähigkeit der Koalition zu beweisen.

Doch der Überraschungscoup geht möglicherweise nach hinten los. „Die Innenpolitiker der SPD waren nicht informiert und sind nicht gefragt worden“, sagte am Mittwoch Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, zur taz. Auch in der Sache werde es „schwierige Diskussionen“ geben. Denn der Entwurf der Regierung zur Änderung des Amtshilfe-Artikels im Grundgesetz „geht deutlich über die Beschlusslage der SPD-Innen- und Verteidigungspolitiker hinaus“.

Konkret nennt Wiefelspütz drei Punkte und bezieht sich dabei auf einen eigenen Entwurf von Anfang 2007: „Die SPD wollte die Bundeswehr nur bei Terrorangriffen aus der Luft oder von See her einsetzen, und auch nur dann, wenn ein Anschlag unmittelbar bevorsteht“, so Wiefelspütz. „Außerdem wollten wir daran festhalten, dass die Bundeswehr bei punktuellen Anschlägen nicht gegen den Willen eines betroffenen Landes eingesetzt werden kann.“ Die Bundesregierung will die Bundeswehr dagegen zur Verhütung aller Arten von Anschlägen einsetzen – auch wenn diese nicht direkt bevorstehen und auch ohne die Zustimmung der örtlich zuständigen Landesregierung einholen zu müssen.

Wiefelspütz sieht für Kompromisse wenig Raum. „Ich kann mir nicht vorstellen, hier irgendwelche Geschäfte zu machen.“ Die Stimmung in der Fraktion scheint ähnlich zu sein. Bei einer fast schon turbulenten Fraktionssitzung am Dienstag hatten sich rund zwei Dutzend SPD-Abgeordnete kritisch zur geplanten Grundgesetzänderung geäußert.

Doch selbst wenn die Sozialdemokraten noch einlenken, so könnte sich der Plan der Minister auch aus anderen Gründen schnell als Totgeburt erweisen. Denn die ebenfalls erforderliche Zweidrittelmehrheit im Bundesrat ist fast ausgeschlossen. In Baden-Württemberg, Niedersachsen und NRW ist die FDP an der Regierung beteiligt, in Hamburg und Bremen die Grünen und in Berlin die Linke. Wenn sich all diese Länder im Bundesrat enthalten, womit zu rechnen ist, kommt die Grundgesetzänderung nicht zustande.

Inzwischen äußerten aber sogar Länder mit CDU-, SPD- oder CDU/SPD-Regierung Kritik, zum Beispiel Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt – nicht zuletzt weil die Länder bei einem Bundeswehr-Einsatz übergangen werden können. Die Bundesregierung wird ihre Pläne also wohl bald modifizieren oder zurückziehen müssen.