„CDU und Grüne eint das Ziel“

Die grüne Gesundheitsexpertin Birgitt Bender zeigt sich aufgeschlossen für Forderungen der Union. Mehr Belastungen für Patienten, mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen

taz: Frau Bender, Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) hat jetzt den Fahrplan für die Gesundheitsreform festgelegt: Im Mai soll es ein Gesetz geben. Wann wollen Sie anfangen, mit der Union zu verhandeln?

Birgitt Bender: Die CDU will ja erst einen Entwurf vorgelegt bekommen. Ich würde es allerdings vorziehen, mit der Union zu reden, bevor wir ins parlamentarische Verfahren gehen.

Eine der Unions-Forderungen ist, dass Patienten die ersten 300 Euro pro Jahr an Arztkosten selbst zahlen sollen. Diese Idee ist Schmidt ein Graus, den Grünen nicht so sehr. Zeigt sich hier eine schwarz-grüne Verhandlungsachse?

Uns geht es darum, dass zunächst das Geld, das da ist, effizienter ausgegeben wird. Dann müssen wir über das Geld reden, das für Dinge ausgegeben wird, die mit der Krankenversicherung eigentlich nichts zu tun haben: Die Gratis-Mitversicherung von Familien etwa müsste durch Steuern finanziert werden. In einem Gesamtpaket am Ende kann es sein, dass Patienten auch einen Beitrag erbringen müssen. Das steht bei uns aber nicht als Nummer 1 auf der Liste.

Ist es die Rolle der Union, jetzt schon die Zusatzbelastung für Patienten anzukündigen, die Rot-Grün später beschließt?

Wir müssen mit der CDU spätestens im Vermittlungsausschuss zur Einigung kommen. Insofern wird das Gesetz keine reine rot-grüne Handschrift tragen.

Aber schwarz-grüne Gemeinsamkeiten werden diese Kränkung für Sie mildern, nicht?

Wir sind wie die CDU dafür, dass Versicherte mehr Entscheidungsfreiheit über Versorgungsangebote bekommen. Das könnte auch heißen, dass die Kassen besondere Versorgung, etwa bisher nicht bezahlte Naturheilverfahren, anbieten. Möglicherweise gibt es da Berührungspunkte.

Sie haben einen Punkt vergessen, der die Gewerkschaften sehr empören wird: Die Union will den Arbeitgeberanteil an der Krankenversicherung einfrieren. Die Grünen wollen, dass andere Einkommensarten als nur der Lohn Grundlage der Kassenfinanzierung werden, also Miet- und Zinseinkünfte. Ist das nicht das Gleiche?

Nö. Das bestreite ich. Die CDU will das Risiko von Kostensteigerungen einseitig auf die Beschäftigten verlagern. Uns dagegen geht es darum, dass Leute, die von Kapitaleinkünften leben, sich der Solidarität nicht entziehen können. Uns geht es also um mehr soziale Gerechtigkeit.

Genau so wird die CDU auch erklären, warum sie den Arbeitgeberanteil einfrieren will.

CDU und Grüne eint das Ziel, die Lohnnebenkosten zu senken. Über das Wie werden wir verhandeln.

Was fordern die Grünen eigentlich von Schmidt? Bislang hat man da noch nichts gehört.

Wir wollen, dass Patienten eine stärkere Stellung erhalten und nicht immer über ihren Kopf entschieden wird. Das gilt für die Arzt-Patienten-Beziehung. Deshalb ist die Patientenquittung wichtig, denn hier erfährt der Patient, welche Behandlung an ihm vollzogen und abgerechnet wird. Aber auch in die Entscheidung, welche Leistungen von Kassen finanziert werden und welche nicht, sollen Patienten einbezogen werden. Und die Grünen stehen dafür, dass es zu einem Wettbewerb der Kassen und der Ärzte untereinander kommt.

Moment – das ist alles Ulla-Schmidt-Programm.

Das ist schön, wenn Ulla Schmidt da auch schon angekommen ist. Etwa die Frage von mehr Wettbewerb ist jedoch bei weitem nicht in der ganzen SPD anerkannt.

Wo muss sich Schmidt denn noch gegen den Gewerkschaftsflügel der SPD durchsetzen?

Fraglich ist zum Beispiel, wie weit man die Krankenhäuser für die ambulante Behandlung öffnet. Die Gewerkschaften wollen hier eine weitere Öffnung, weil sie nach Möglichkeiten suchen, wie man trotz Bettenabbau das Krankenhauspersonal beschäftigen kann. Wir dagegen glauben, dass man nur bei bestimmten Krankheiten, zum Beispiel Brustkrebs, die Krankenhäuser auch ambulant behandeln lassen sollte.

INTERVIEW: ULRIKE WINKELMANN