: Ein Aussteiger unter den Warlords
Jean-Bosco Barihima, ein Dissident von Kongos RCD-Rebellen, sollte im Auftrag Kabilas und Ugandas die RCD zerschlagen. Dann bekam er kalte Füße und ging nach Hause. Aber der von ihm miteingefädelte Krieg wird noch stattfinden, meint er
aus Goma DOMINIC JOHNSON
Sieht so ein Warlord aus ? Manche Kriegsherren des Kongo, wenn sie zu sich ins Büro einladen, schaffen durch gestaffelte Formationen träger Bediensteter eine Aura der Unnahbarkeit, bevor sie einem dann hemdsärmelig und jovial auf dem Sofa weismachen, dass die Welt ihnen zu Füßen liegt. Jean-Bosco Barihima hat kein Büro, sondern erscheint mit Krawatte in der Bar, natürlich verspätet, damit man denkt, er habe viel zu tun. Und wenn man ihn dann nach aktuellen Entwicklungen fragt, sagt er: „Darüber bin ich momentan nicht informiert.“
Vor einem halben Jahr noch sprach man in Goma von Barihima als kommender großer Kraft. Der Mitgründer und frühere Finanzdirektor der größten kongolesischen Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) hatte sich nach Uganda abgesetzt, zusammen mit mehreren Kollegen, und alle zusammen proklamierten die Gründung einer RCD-C (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Kongo), die die RCD aus dem Osten Kongos verjagen sollte. Aber heute sitzt Barihima wieder friedlich in der RCD-Hauptstadt Goma, wartet auf Verwendung und erzählt seine Geschichte – ein seltener Einblick in die Strukturen des Krieges.
„Ich verließ Goma am 19. Mai 2002 zusammen mit meiner Familie“, erinnert sich Jean-Bosco Barihima. „Ich sagte, ich würde innerhalb der RCD eine Revolution machen. Uganda war bereit, uns logistisch, politisch und diplomatisch zu unterstützen.“ Einen Monat zuvor hatte Kongos Regierung unter Präsident Joseph Kabila bei Friedensverhandlungen in Südafrika ein Separatabkommen mit mehreren Rebellengruppen unterschrieben – unter Ausschluss der RCD. Uganda hatte das eingefädelt. Die RCD stand nach diesem „Abkommen von Sun City“ als Verweigerer da. Die Gruppe um Barihima sollte nun die RCD spalten.
„Die Initiative ging von Kinshasa aus“, erklärt Barihima. „Ich sollte die Führung jener Fraktion in Goma übernehmen, die die Wiedervereinigung wünscht. Ugandas hohe Generäle gewannen die Unterstützung des Präsidenten für den Plan.“
Es war ein Kriegsplan. Als militärisches Sprungbrett für den Krieg gegen die RCD sollte das Territorium der damals von Uganda unterstützten Rebellengruppe RCD-ML (RCD-Befreiungsbewegung) um die Stadt Beni im Osten Kongos dienen – ein Mitunterzeichner des Abkommens von Sun City. „Als ich von Goma nach Uganda ging, wurden in Beni Soldaten und Waffen versammelt“, packt Barihima aus. „Der Plan war: Ich gehe nach Beni und wir eröffnen den Krieg.“ Acht Brigaden hatte er, behauptet Barihima. Viele der Soldaten waren kongolesische Hutu von seiner eigenen Volksgruppe und ruandische Hutu-Milizen, die Interahamwe.
So stand im Spätsommer 2002 eine komplette Armee in Beni und wartete auf das Signal zum Angriff. Aber in letzter Minute brach Barihima die Sache ab. Seine neuen Freunde hätten ihn enttäuscht, meint er. Ugandische Generäle wollten Vorteile im Tropenholz- und Diamantenhandel, und Barihima nennt auch zwei ausländische Firmen, denen sein Krieg nützen sollte: die kanadische Heritage Oil und die österreichische Metallgesellschaft Krall. „Ich sollte ihr Kapital schützen“, so Barihima.
Aus Sicht von Barihimas Gönnern war die Sache einfach, erklärt der renitente Warlord im Rückblick: „Ein Krieg muss sich selbst finanzieren. Wenn man ein Gebiet erobert, sollte es ökonomisch interessant sein.“ Aber aus Barihimas eigener Sicht hatte man ihn in eine Falle gelockt und benutzte ihn als Spielball für private Begierden. Als weiteres Motiv nennt Barihima den Rückzug der Armee Ruandas aus Ostkongo im Herbst 2002. „Ich wollte ja erreichen, dass die Ruander Kongoverlassen“, sagt er.
Also nahm er im Oktober 2002 wieder Kontakt zur RCD auf und traf am 4. Januar 2003 wieder in Goma ein. „Dort empfingen mich ruandische Offizielle und bedankten sich, dass ich einen Krieg verhindert hatte.“
Ist das glaubhaft ? Dass im Sommer 2002 von Uganda aus ein Krieg gegen die RCD im Ostkongo geplant war, wurde schon damals berichtet. Aber dass Barihima einfach ausstieg, stimmt skeptisch. Beobachter in Uganda halten ihn heute für einen Spion Ruandas, der geschickt worden sei, um die Sache zu torpedieren. Das weist Barihima zurück. „Ich führe immer noch die Revolution!“, behauptet er. Er habe lediglich den bewaffneten Kampf aufgegeben. „Es wird in der RCD einen Machtkampf geben.“ Schwerer wiegt die Frage, wieso die Realisierung der Kriegspläne davon abhängen sollte, ob ein Jean-Bosco Barihima an der Spitze steht. Könnte es nicht sein, dass der große Krieg um den Ostkongo noch bevorsteht – trotz des Friedensabkommens vom Dezember 2002, dessen Umsetzung in den Sternen steht? Was ist aus den acht Brigaden in Beni geworden? „Davon sind immer noch welche da“, weiß Barihima. „Sie warten auf ihren Einsatzbefehl.“ Tatsächlich meldete die UN-Mission im Kongo unlängst die Anwesenheit von vier Kabila-Bataillonen in Beni und warnte vor einem Aufflammen des Krieges. Dem Frieden gibt Barihima keine Chance. „Der Krieg wird wieder losgehen. Da bin ich sicher.“