nestlé macht dicht : Bittere Schokolade
Wird ein Werk geschlossen, werden schnell Schuldige gefunden: Oft sind es angeblich zu hohe Löhne, zu unflexible Verwaltungen, veränderte Marktbedingungen, Strukturveränderungen. Ein Grund aber kommt in der Regel zu kurz: Blödheit des Managements. Die Schließung des Tempelhofer Nestlé-Werks ist ein solcher Fall von Missmanagement. Mit der allseits bekannten Abwicklung so genannter verlängerter Werkbänke in Westberlin hat sie jedenfalls wenig zu tun.
Kommentar von RICHARD ROTHER
Denn das Tempelhofer Werk wurde in den vergangenen Jahren sogar modernisiert. Der Fehler: Alles hing an einem Tortenriegel – den Yes-Törtchen, die vor Jahren mit großem Werbeaufwand in den Markt gedrückt wurden. Als der Großabnehmer Aldi die Törtchen aus den Regalen nahm, wusste Nestlé nicht mehr, wohin damit. Schluss.
Schwer vorstellbar, dass diese Entwicklung nicht vorhersehbar gewesen sein soll. Dass sich ein Produkt nicht verkauft, merken Manager nicht von heute auf morgen. Ihr Job ist es, rechtzeitig Alternativen zu entwickeln: ein anderes oder besseres Produkt herzustellen, die Werbeanstrengungen zu erhöhen. Von all dem Fehlanzeige in Tempelhof. Unter den Folgen leiden nun rund 500 Beschäftigte, ihre Familien und Freunde, Zulieferer und Dienstleister.
Ein Weltkonzern, der solche Fehler zulässt, müsste eigentlich Schadenersatz leisten. Wie wäre es damit: Tempelhof weitet die Produktion aus, stellt ein Jahr lang umsonst Schokolade für Berlin her! Der Bedarf daran wäre gegeben. Die Schokolade dürfte nur nicht so bitter schmecken wie die Yes-Törtchen.