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Archiv-Artikel

Saddam, tamm, tamm

Warum nennt eigentlich alle Welt den irakischen Staatspräsidenten beim Vornamen?

Wenn Blair, Bush oder Rumsfeld„Saddam“ sagen, dann klingt da immer „Satan“ mit

„Bush: ‚Time running out for Saddam!‘“, so titelte kürzlich die in Amman erscheinende Tageszeitung Jordan-Times. Ein Satz, den man zweimal lesen sollte: „Bush: ‚Die Zeit läuft ab für Saddam!‘ Die Schlagzeile – bestehend aus dem Namen des Zitatspenders und des Zitates selbst – ist so lesenswert, weil sie viele Fragen aufwirft. Wieso nennt George W. Bush seinen Amtskollegen bei dessen Vornamen? Und warum leitet die Zeitung das Zitat in ihrer Schlagzeile mit dem Nachnamen des US-Präsidenten ein? Hätten die Redakteure nicht der Gerechtigkeit halber schreiben müssen: „George: ‚Die Zeit läuft ab für Saddam!‘“?

Aber nein. Auch diese Zeitung macht es nicht anders als der Rest der Welt. Oder macht es der Rest der Welt nicht anders als die Medienmacher? Jedenfalls nennt jeder den irakischen Staatspräsidenten nur noch „Saddam“. Selbst in manchen eher konservativen Nachrichtensendungen sind bisweilen Sätze zu hören wie „Saddam beschuldigt die UNO-Waffeninspektoren, Spione zu sein …“ Oder: „Saddam und die Massenvernichtungswaffen“.

Nun stelle man sich einmal eine Nachrichtensendung vor, in der es heißt: „Gerhard hofft auf Kanzlerwürden im Irak“. Oder „Joschka vorgeschlagen für kuwaitische Ehrenbürgerschaft“. Oder „Tony möchte auch den Kopf in den Wüstensand stecken.“ Na, das sollten sich einmal in den „Tagesthemen“ Uli Wickert und Joe Brauner erlauben. Oder Anne.

Saddam Hussein ist das einzige Staatsoberhaupt, dass beim Vornamen genannt wird. Von jedem: von Blair, Bush, Rumsfeld, und Oma Moimel. Woher jedoch rührt diese Attitüde?

Die eher freundliche Überlegung lautet: Während der Golfkrise 1990/91 wollten die Nahostkorrespondenten dieser Welt für die Bewohner selbiger die beiden Husseins besser auseinanderhalten können: nämlich Hussein, den König von Jordanien, und Hussein, eben den Präsidenten des Iraks. Deshalb, so könnte es sein, nannten sie beide beim jeweiligen Vornamen – und nach dem Tod des jordanischen Monarchen war das nicht mehr rückgängig zu machen. Wie gesagt: Der Rest der Weltenbürger macht es ja bekanntlich nicht anders als die Medienvorturner.

Vielleicht hat also alles mit den zwei Husseins begonnen. Doch die Politikmacher, die Saddam Hussein loswerden möchten, nahmen die mediale Reduktion Husseins auf das Schlagwort „Saddam“ sicher nur allzu gern hin. Und spitzten es auch noch an: Wenn Blair, Bush oder Rumsfeld nämlich „Saddam“ sagen, dann klingt da immer „Satan“ mit. Heißt: Mit „Saddam“ wird das „Böse“ personifiziert, „persönlich“ gemacht. Wenn der Name Saddam aus Bushs Mouth schnarrt, umpft gleich eine dramatisch Melodie mit: Saddam – tadamm, tadamm … Der Teufel, der uns alle versucht, trägt keinen Nachnamen.

Auf einer zweiten Ebene wird die „persönliche Angelegenheit Saddam“ noch verstärkt: In einer Welt, in der Menschen immer noch im täglichen Geschäftsumgang überwiegend gesiezt werden oder im Angelsächsischen geduzt, indes in Verbindung mit Nennung des Nachnamens à la „Mr. Bush, could you …“; in einer solchen Welt also ist der Vorname dem „Privatleben“ vorbehalten. Dadurch, dass Bush und Blair Hussein beim Vornamen nennen, machen sie ihn mithin zur Privatsache – eines jeden anständigen Weltenbürgers, vorrangig aber ihrer eigenen Wähler. Sie gilt es schließlich davon zu überzeugen, dass die Mission ihrer Staatsoberhäupter vom „Guten beseelt“ ist – gegen „das Böse“, das jeden von „uns“ bedroht, selbst im Privaten.

Vielleicht reden insbesondere Bush und seine Vertrauten Hussein aber auch mit dem Vornamen an, weil sie ihm tatsächlich nahe stehen, sich ihm „persönlich“ verbunden fühlen. Erinnert sei lediglich daran, dass Ronald Reagan im Dezember 1983, als irakische Soldaten schon mit Giftgas auf Iraner schossen, einen Sonderbotschafter nach Bagdad entsandte. Der Mann sollte die Wirtschaftsbeziehungen zur irakischen Regierung verbessern und hieß Donald. Donald Rumsfeld. BJÖRN BLASCHKE