: Angst vorm neuen Mann?
Die Frauen sollten endlich aufhören, über die Männer zu jammern. Stattdessen gilt es, einen kritischen Geschlechterdialog zu führen. Das Ziel: Chancengleichheit für Männer
Die beste Frauenförderung ist „ … die Emanzipation des Mannes“, meint die Frauen-und Familienministerin Renate Schmidt. Dies bedeute vor allem, dass der Mann sein „Vatersein auch praktisch annimmt“. Nur 2 Prozent derjenigen, die Elternzeit nehmen, sind Männer. Doch die Geschlechterpolitik unseres Familienministeriums liegt praktisch brach. Eine Werbekampagne, die Vätern ihre Familie nahe bringen soll, ist ehrenwert, doch rennt die Ministerin mit ihr offene Türen ein: Der aktive Vater ist bereits Trend. Fast 40 Prozent der deutschen Männer sind nach den Ergebnissen der letzten großen Männerstudie an einer aktiven Vaterschaft interessiert. Sie müssen nicht überzeugt werden. Sie müssen sich das aktive Bevatern nur leisten können, und das nicht nur in finanzieller Hinsicht.
Denn: Selbst in den skandinavischen Ländern mit ihrer großzügigen Unterstützung der Erziehungszeit lässt sich beobachten, dass noch immer überwiegend Frauen die Kinder betreuen. Die schwedische Familienkommission hat das Phänomen untersucht. Zentrale Blockaden für aktive Väter, so das Ergebnis, sind: Vorurteile bei Vorgesetzten und Kollegen, aber auch bei Kolleginnen und sogar bei den eigenen Partnerinnen. Sie stellen die Fürsorgekompetenz ihrer Männer in Frage. Nach Ansicht der schwedischen Frauenforscherin Ulla Björnberg wurde gerade diesem Umstand bisher viel zu wenig Aufmerksamkeit eingeräumt.
Hier deutet sich an, was unsere Forschung bestätigt: eine höchst ambivalente Einstellung von Frauen gegenüber einer Neuverteilung der Familienarbeit. Wollen Frauen den neuen Mann überhaupt? Mit dieser Frage unterstellen wir nicht, dass allein Frauen daran „schuld“ seien, dass sich Männer nicht ausreichend im Haushalt engagieren. Aber die kritische Analyse traditioneller Geschlechterbilder in den Köpfen von Männern und Frauen muss grundlegender Bestandteil jeder Geschlechterpolitik sein. Nur so tappt sie nicht in die Falle sich selbst bestätigender stereotyper Rollenklischees und kann dazu beitragen, diese aufzulösen.
Daten aus verschiedenen europäischen Ländern, die wir in unserer Studie analysiert haben, zeigen eine Reihe von Widersprüchlichkeiten. Nicht nur bei Männern, auch bei Frauen findet sich „verbale Aufgeschlossenheit bei bestehender Verhaltensstarre“ – um die Lieblingsbeschreibung der vormaligen Frauenministerin Bergmann zu gebrauchen. So schätzen sich Frauen noch immer als kompetenter in Haushaltsfragen ein. Einige der befragten Frauen begegnen einem größerem Engagement ihrer Männer im Haushalt gar mit Unbehagen. Zudem ist auch die Einstellung zum aktiven Vater ambivalent: Diesen Typus, verkörpert durch den viel gepriesenen „neuen Mann“, finden Frauen zwar „sympathisch“. Doch gleichzeitig sind erschreckend viele von ihnen der Ansicht, dass diese Rolle nicht „wirklich“ zu einem Mann passe. Sie empfinden sie als unmännlich.
Zudem sprechen viele Frauen den Männern schon vor der Geburt des Kindes die Fürsorgekompetenz ab und kümmern sich daher lieber selbst um das Kind; der Mann wird zum Assistenten degradiert. Insbesondere in traditionellen Arbeitermilieus zeigt sich ein großes Interesse von Frauen an einem „starken“ Mann. Diese Frauen sind auch keineswegs an der Aufnahme einer Erwerbsarbeit interessiert, selbst bestimmte Hausarbeit wird vielmehr als Chance gesehen, monotoner und unqualifizierter Arbeit zu entkommen. Einer schwedischen Untersuchung zufolge plädieren gar die Männer nach der Geburt eines Kindes eher für eine Vollzeittätigkeit ihrer Frauen, während diese mehr an Teilzeit interessiert sind. Auch in der Bundesrepublik finden Mütter und Väter mit Kindern bis zu neun Jahren ein Vollzeit-Vollzeit-Modell nicht wünschenswert, rund zwei Drittel der befragten Frauen wollen Teilzeit arbeiten.
Widersprüche bei Frauen und Männern in ihren Rollenbildern zeigen sich auch bei den allgemeinen Zuschreibungen im Vergleich zu den konkreten Alltagserfahrungen. So halten laut einer Allensbach-Umfrage sechs Zehntel der Frauen Männer generell für durchsetzungsfähig, aber nicht einmal jede zweite entdeckt diese Eigenschaft bei ihrem Partner. Auf der anderen Seite glauben fast acht von zehn Männern, dass Frauen zärtlich sind, aber nur etwa vier Zehntel sehen diese Eigenschaft bei ihren Frauen.
Will Geschlechterpolitik nicht stereotypen Vorstellungen oder Wunschbildern von Geschlechtern aufsitzen, muss sie sich diesen empirisch nachgewiesenen Ambivalenzen und Widersprüchen stellen. Ihr Ziel muss sein, im Sinne des Gender-Mainstreaming-Prinzips in allen gesellschaftlichen Bereichen herkömmliche und einengende Geschlechterbilder in Frage zu stellen. Das beginnt schon in der vorschulischen Erziehung. Jungen und Mädchen brauchen hier auch männliche Vorbilder, die ihnen zeigen: Auch Männer haben Fürsorgekompetenz. Ergänzend dazu muss endlich ein Förderprogramm für Männer in so genannten Frauenberufen her. Damit würde die Förderung von Frauen in so genannten Männerberufen ergänzt. Männern, die Erziehungszeit in Anspruch nehmen wollen, könnte auf betrieblicher Ebene mit einem verpflichtenden Papa-Monat der Rücken gegenüber ihren Chefs gestärkt werden.
Auf die geschlechterpolitische Tagesordnung gehört endlich auch wieder das Thema Arbeitszeitverkürzung – nachdem schon die Chance für eine Debatte der Vorschläge der Hartz-Kommission verpasst wurde. Bereits ein Sechstel der bundesdeutschen Frauen wünschen sich ein Teilzeit-Teilzeit-Modell mit ihrem Partner. Und die niederländische Teilzeitkultur hat dazu geführt, dass sich auch Männer ein Leben jenseits eines Vollzeitjobs vorstellen können.
Diese Ansätze werden aber nur dann Erfolg haben, wenn sie den Alltag der Geschlechterverhältnisse einbeziehen. Geschlechterpolitik kann nur als kritischer Geschlechterdialog angelegt werden. Das heißt: Die Geschlechterpolitik eines Gleichstellungsministeriums müsste gemeinsame Lernprozesse bei Männern und Frauen anstoßen und nicht auf ein Geschlecht fixiert bleiben. Denn diese alte Konfrontationslinie basiert selbst auf Stereotypen.
Eine „Ombudsstelle für Chancengleichheit“ möchte die Frauenministerin nun einrichten. Eine solche Stelle, die auf Geschlechterungleichheiten achtet, ist eine Chance für einen kritischen Geschlechterdialog in der Öffentlichkeit – allerdings nur, wenn sie paritätisch besetzt wird: mit einer Frau und einem Mann. In einem kritischen Geschlechterdialog müssen beide ihre gegenseitigen widersprüchlichen Erwartungshaltungen reflektieren. Ohne einen solchen kritischen Geschlechterdialog wird Geschlechterdemokratie nicht zu realisieren sein.
RAINER VOLZ/PETER DÖGE