: Kein Geld für Asphaltträume
Schleswig-Holstein kann nicht alle Autobahnen bezahlen, die es gern bauen würde. Erstes Opfer ist vermutlich die Ostseeautobahn A 20 samt Elbtunnel bei Glückstadt. Ein Viertel der A 26 zwischen Stade und Hamburg wird heute fertig
Als „verkehrspolitischen Offenbarungseid“ hat Schleswig-Holsteins grüner Bundestagsabgeordneter Rainder Steenlock die Ankündigung des Kieler Verkehrsministers Werner Marnette bezeichnet, nicht alle Autobahnen bezahlen zu können, die er gern bauen lassen würde. Die schwarz-rote Landesregierung sollte deshalb endlich festlegen, „welche Verkehrsprojekte das Land wirklich braucht“, fordert Steenblock. Klar ist für den ehemaligen schleswig-holsteinischen Umweltminister dabei, „dass teure Prestigeprojekte wie die Fehmarnbeltquerung, die den Löwenanteil der knappen Mittel auffressen würden, ein für allemal zu begraben sind“.
Marnette hatte am Montag eingeräumt, dass die Fortführung der Ostseeautobahn A 20 westlich von Lübeck bis Glückstadt nicht wie bisher vorgesehen 2015, sondern frühestens 2017 fertig sein werde. Verzögerungen oder das Aus drohten auch bei anderen Verkehrsprojekten. „Wir haben in Schleswig-Holstein bis 2017 einen Investitionsstau von fast 5,5 Milliarden Euro“, bilanzierte der Minister.
Um alle Straßenbauprojekte – die A 20, den Ausbau der A 21 bis Kiel und der A 23 bei Itzehoe, die sechsspurige Erweiterung der A 7 zwischen Hamburg und dem Bordesholmer Dreieck und die Fehmarnbelt-Querung inklusive Ausbau der A 1 – zu finanzieren, müsste Schleswig-Holstein in den nächsten neun Jahren etwa 3,1 Milliarden Euro vom Bund erhalten.
Dem Land stehen in diesem Zeitraum aber nur knapp 500 Millionen Euro für Neubauten zu. Allein der Weiterbau der A 20 nordwestlich um Hamburg herum aber wird mit der doppelten Summe veranschlagt. Steenblock schlägt deshalb vor, die im Bau befindliche Trasse zwischen der A 1 bei Lübeck und der A 21 bei Bad Segeberg fertig zu stellen, „die Planungen aller darüber hinausgehenden Streckenabschnitte sollten jedoch zügig eingestellt werden“.
Dies nicht zuletzt deshalb, weil der Elbtunnel bei Glückstadt, durch den die A 20 nach Niedersachsen zur A 26 bei Stade geführt werden soll, immer unrealistischer wird. Das Bundesverkehrsministerium äußerte nach Vorliegen einer ersten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung jetzt „Zweifel“, ob das über eine Automaut refinanzierte Privatisierungsmodell wie geplant umgesetzt werden könne. Noch fehle jedoch eine vertiefende qualifizierte Prüfung. Grundsätzlich wäre zwar auch eine herkömmliche Straßenbaufinanzierung mit öffentlichen Haushaltsmitteln möglich: Der Bau der Elbquerung ginge dann jedoch zu Lasten anderer Verkehrsprojekte in Schleswig-Holstein.
Derweil wird am heutigen Donnerstag der erste Bauabschnitt der Autobahn A 26 von Stade nach Hamburg für den Verkehr freigegeben. Das knapp zwölf Kilometer lange und 180 Millionen Euro teure Teilstück zwischen Stade und Horneburg soll die Bundesstraße B 73 entlasten, die als eine der meist befahrenen Straßen in Niedersachsen gilt. Die insgesamt 50 Kilometer lange Autobahn soll vom geplanten Elbtunnel bei Glückstadt zur A 7 bei Hamburg-Moorburg südlich des Hamburger Elbtunnels führen. SVEN-MICHAEL VEIT