: „Den Privaten geht‘s gar nicht so schlecht“
Ökonom Wolfgang Seufert hält private Fernsehsender trotz Medienkrise für wettbewerbsfähig mit ARD und ZDF
BERLIN taz ■ Die Medienkrise hat die deutschen Privatsender erst mit einem Jahr Verspätung voll erreicht. Erstmals seit Einführung des privaten Rundfunks vor 20 Jahren bauten die Fernseh- und Hörfunkveranstalter im großen Maße Arbeitsplätze ab. Nach einer zum Jahresende veröffentlichten Studie der für die private Rundfunksaufsicht zuständigen Landesmedienanstalten ging die Zahl der Erwerbstätigen in der Rundfunkswirtschaft im Jahr 2002 (für vergangenes Jahr liegen noch keine Zahlen vor) um 1,3 Prozent, beim privaten Rundfunk sogar um 5 Prozent zurück.
Beim privaten Fernsehen haben sich die Umsätze seit Beginn der Erhebungen 1995 bis zum Jahr 2000 „nahezu verdoppelt“, obwohl die werbefinanzierte TV-Branche „insgesamt defizitär“ geblieben ist. 2002 arbeiteten von den acht bundesweit sendenden privaten Vollprogrammen nur die Hälfte mit Gewinn. Bei den Spartenkanälen im Free TV wie bespielsweise den Nachrichtensendern n-tv und N 24 oder den Sportkanälen DSF und Eurosport arbeiteten von 14 Anbietern gerade einmal drei kostendeckend.
Dennoch besteht nach Ansicht von Studien-Koautor Wolfgang Seufert von der Universität Jena keine wirkliche Schieflage der deutschen Rundfunklandschaft. „Dem privaten Fernsehen geht es gar nicht so schlecht, wie die Branche immer behauptet“, urteilt Seufert. Das Gros des Defizits ging auf das Konto des Pay-TV, das 2002 Verluste von insgesamt 563 Millionen Euro einfuhr. Das kombinierte Defizit aller anderen bundesweiten privaten TV-Anbieter lag dagegen bei lediglich 165 Millionen Euro, davon entfielen allein 131 Millionen Euro auf die Spartenkanäle.
Die seit 2001 massiv eingebrochenen Werbeeinnahmen habe die Branche sogar „überraschend gut verdaut“, sagt Seufert. Beziehungsweise die für die Privatsender arbeiteten Produktionsfirmen, die als „Konjunkturpuffer“ herhalten mussten: „Anstelle teuerer Fiction-Programme wird jetzt eben noch stärker auf weniger aufwändige Formate wie Reality-TV, Talk und Spielshows gesetzt“, sagt der Professor für Medienökonomie.
Anders als in der aktuellen medienpolitischen Debatte um die Erhöhung der Rundfunkgebühren – morgen wird die zuständige Kommission ihre Empfehlung vorlegen – spiele die Position von ARD und ZDF keine Rolle, so Seufert. Im dualen Rundfunksystem herrsche „keine Schieflage, sondern eher ein Gleichgewicht“. Im „Konjunkturtal“ verschlechtere sich natürlich die Position der Privaten, „während die Öffentlich-Rechtlichen durch die Gebühren abgesichert sind“. In Boom-Jahren sei es anders herum: „Die Werbeeinnahmen machen einen Sprung“, und die Gebühren klapperten hinterher. Ein Werbeverbot für ARD und ZDF – wie es Privatsender und Unionspolitiker fordern – hält Seufert für „zu kurz gedacht“. Denn „zusätzliche Werbung bekommen die Sender, wenn sie mehr Zuschauer erreichen – aber doch nicht dadurch, dass man woanders nicht mehr werben kann“. STEFFEN GRIMBERG