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Archiv-Artikel

„Wo es sehr wehtut“

Der Frankfurter Polizei-Vizepräsident Wolfgang Daschner spricht in Zeitungsinterviews freimütig über seine Folterpläne

BERLIN ■ taz Mangelnden Mut kann man Wolfgang Daschner wirklich nicht vorwerfen. In mehreren Interviews gab der Frankfurter Polizeivize am Wochenende bereitwillig Auskunft, wie er den Entführer und Mörder des elfjährigen Jakob von Metzler foltern wollte, um den Aufenthaltsort des Kindes zu erfahren.

„Es gibt die Möglichkeit, durch einfache körperliche Einwirkung, zum Beispiel durch Überdehnen eines Handgelenkes, Schmerzen zuzufügen. Es gibt am Ohr bestimmte Stellen – jeder Kampfsportler weiß das –, wo man draufdrückt, und […] es tut sehr weh, ohne dass eine Verletzung entsteht“, erklärte Daschner etwa der Frankfurter Rundschau. Ausdrücklich ausgeschlossen hätte er allerdings den „Einsatz von Hilfsmitteln“. Schlagstöcke und Elektroschocks waren also nicht vorgesehen. Auch Verletzungen sollten nicht zugefügt werden. Ein Polizeiarzt hätte den Foltervorgang überwacht, „um zu verhindern, dass Verletzungen entstehen“.

Daschner zeigte sich jedoch sicher, dass auch seine verletzungsfreie Methode zum Ziel geführt hätte. „Sie brauchen jemandem nicht fürchterliche Schmerzen zufügen. Es genügt, wenn ein relativ geringer Schmerz für eine bestimmte Dauer aufrechterhalten wird.“ Und im Ton des Wissenden erklärt der Polizist: „Irgendwann hätte er nicht mehr geschwiegen. Innerhalb sehr kurzer Zeit.“

Zur Gewaltanwendung kam es nicht mehr. Magnus G. gestand, zehn Minuten nachdem ihm die Vernehmungsbeamten mit Schmerzen gedroht hatten, „die er noch nie verspürt“ habe. Der mutmaßliche Erpresser und Mörder erinnert sich gegenüber dem Spiegel aber an mehr: „Der Beamte kam weiter näher und drohte, dass ich mit zwei großen Negern in eine Zelle gesperrt würde, welche sich an mir vergehen könnten.“ Daschner bezeichnet diese Schilderung als „absoluten Quatsch“. Auch sei kein „Folterexperte“ eingeflogen worden, sondern ein „ganz normaler Polizeibeamter“, der gerade in Urlaub war, einer, „der eine Übungsleiterlizenz des Deutschen Sportbundes“ hat. Da stellt sich die Frage, wie oft dieser Mann schon auf Frankfurter Polizeiwachen tätig wurde.

Im Fall G. hat Daschner jedenfalls noch am selben Tag die Staatsanwaltschaft über sein Vorgehen informiert. Diese hat nach längerer Prüfung inzwischen ein Verfahren wegen „Aussageerpressung“ eingeleitet. Strafrahmen: ein bis zehn Jahre Haft. Doch zu Recht weist Daschner darauf hin, dass die Vorschrift nur für Aussagen im Strafprozess gilt. Ihm sei es in der konkreten Situation aber nicht um ein Geständnis, sondern nur um Aufklärung über den Aufenthaltsort des Kindes gegangen. Doch auch zur Gefahrenabwehr darf nicht gefoltert werden. Es bleiben die Vorwürfe der Nötigung und möglicherweise der versuchten Körperverletzung im Amt.

Den Begriff „Folter“ hört der Polizist gar nicht gern. „Ich spreche von der Anwendung unmittelbaren Zwanges zur Rettung eines Menschenlebens“, sagte er im Interview. Allerdings ist das Hessische Polizeigesetz hier ganz eindeutig: „Unmittelbarer Zwang zur Abgabe einer Erklärung ist ausgeschlossen.“

Das weiß auch Daschner. Er ergänzte deshalb, dass ihm bei Untätigkeit eine Bestrafung wegen „unterlassener Hilfeleistung“ oder gar wegen „Tötung durch Unterlassen“ gedroht hätte. Beide Überlegungen sind haltlos, Daschner hätte keinerlei Strafe gedroht. Sie zeigen aber, wie aus dem Recht, zu foltern, in den Köpfen der Polizei schnell eine Pflicht zur Folter werden kann. CHRISTIAN RATH