: Humanitär aufs Kreuz gelegt
Eine Familie mit zwei kleinen Kindern soll nach Mali ausreisen, weil der Vater vor 30 Jahren einen Fehler begangen hat. Staatsrat Walter Wellinghausen hatte vor Weihnachten Hilfe zugesagt und lässt die Familie jetzt im Stich
von ELKE SPANNER
Walter Wellinghausen tritt den Rückzug an. In den vergangenen Wochen schien der Innenstaatsrat sich in der Rolle des Vermittlers zu gefallen, der ausgleicht, was der Senat aus blinder Ideologie verbockt. Jetzt aber ist er nicht nur bei seinen Verhandlungen mit den ehemaligen Bambule-BewohnerInnen vom Senat zurückgepfiffen worden. In einem anderen Fall hat Wellinghausen nach wochenlangen Verhandlungen diese schlicht abgebrochen – und damit einer Familie jede Perspektive in Deutschland genommen: Die Eheleute Touré sollen mit ihren Kindern das Land verlassen, weil der Vater vor 30 Jahren die Grenze mit falschem Pass überschritten hat.
Als Wellinghausen im Dezember verprach, eine humanitäre Lösung für die Familie zu suchen, hatte er im Grunde nicht mehr getan, als dem Votum der früheren Bürgerschaft zu folgen. Im Februar 2001 hatte deren Petitionsausschuss beschlossen, der Familie das Bleiberecht zu ermöglichen. Denn Seydou Touré lebt seit fast 30 Jahren in Hamburg, war durchgehend erwerbstätig, hat Steuern gezahlt und sich nie etwas zuschulden kommen lassen, kurz: Er war vollständig integriert. Bis 1998 aufflog, dass er 1974 mit falschem Pass eingereist war. Er verlor seine unbefristete Aufenthaltsberechtigung und mit dieser auch seinen Job. Dann kam die Aufforderung der Ausländerbehörde, ins Herkunftsland Mali auszureisen – mit seiner Frau und den beiden Kindern, die hier geboren und aufgewachsen sind.
Das aber stoppte der damalige Petitionsausschuss unter Vorsitz des CDU-Abgeordneten Jürgen Klimke: Ehefrau und Kinder, hieß es, „sollten für den Fehler ihres Ehemannes und Vaters nicht bestraft werden“. Die Tourés atmeten auf.
Dann aber waren Wahlen in Hamburg, und plötzlich sah alles ganz anders aus. Der rechte Senat widersprach dem Votum der Bürgerschaft und pochte auf die Ausreise der Familie. Die Kirche schaltete sich ein. Pastorin Fanny Dethloff nahm im Dezember Kontakt zu Staatsrat Wellinghausen auf, und kurzzeitig sah es so aus, als könnte sich die Situation wieder zum Guten wenden. Dethloff schlug vor, dass der Vater alleine ausreist, um dann seine legale Einreise nachzuholen. Somit könnten die Kinder hier weiter zur Schule gehen. Wellinghausen bezeichnete die Lösung als gut, vertröstete Dethloff und die Familie über die Weihnachtszeit – und gab den Fall danach an Ralph Bornhöft ab, den Leiter der Ausländerbehörde. Seither, sagt Dethloff, „sieht es nicht mehr sehr erfolgversprechend aus“.
Touré sagt, er fühlt sich von Wellinghausen reingelegt. Auch sein Rechtsanwalt Georg Debler hat den Eindruck, dass der Staatsrat den Fall über die Weihnachtszeit vertagen wollte, weil in dieser sentimentalen Zeit humanitäre Schicksale in der Öffentlichkeit mehr Beachtung finden. Debler hat eine neue Petition für die Familie eingereicht. Darin weist er auch auf ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom Januar 2000 hin, nach dem die Vorwürfe der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthaltes gegen Touré verjährt seien. Die Behörde kümmert das nicht. Die Duldung der Familie läuft Mitte März ab. Pastorin Dethloff: „Die Strafe kommt von der Ausländerbehörde. Für die ganze Familie. Das ist Sippenhaft“.