: Lass den Regen rein
Die Schauspielerin Julie Delpy macht jetzt auch in Musik: Am Wochenende stellt sie im Norden ihre erste CD mit melancholischen Folk-Songs vor
Aus den Boxen regnet es. Ein hartnäckiger Regen, auf den das Hirn instinktiv reagiert mit dem Vorschlag, die Heizung höher zu drehen. Ein Regen, wie man ihn kennt aus ... französischen Filmen. Klar, man kommt nicht daran vorbei: Julie Delpy, 34, ist abgespeichert als Schauspielerin, die ihre Karriere mit den Altmeistern Jean Luc Godard und Bertrand Travernier begann, um dann mit Volker Schlöndorffs Homo Faber und vor allem Richard Linklaters Before Sunrise populär zu werden.
Wie populär, ist schwer zu sagen: Delpy ging zwar von Paris nach Hollywood, operierte dort aber nie im Blockbuster-Format – ihr Ort ist der Grenzbereich zwischen großem Publikum und Anspruch. Deshalb sagt sie Sätze wie: „Ich liebe es, keinen Trends anzugehören.“ Und deshalb hat sie kürzlich ein Regie-Studium an der New York University hinter sich gebracht und eine CD mit selbst komponierten Stücken aufgenommen, die sie jetzt in Bremen und Hamburg vorstellt.
Zu erwarten sind Songs, in denen es gerne regnet: In „My Dear Friend“ wird gesampeltes Regenrauschen zur Soundkulisse für eine sparsam gezupfte Gitarre, ein Glockenspiel und Delpys Stimme. Gebrochene Akkorde schieben sich unter Delpys klaren Gesang, sehr melancholisch, sehr berechenbar – ein konventioneller Folk-Song, Thema ist eine gescheiterte Freundschaft, im Zentrum steht Delpys Stimme. Und die wirkt zerbrechlich: Delpy passt ganz ins Rollenmodell der Femme Fragile. Gleichzeitig ist sie eine Singer/Songwriterin in der Nähe von Suzanne Vega, benutzt hier und da PJ Harveys schwere E-Gitarren und klingt insgesamt mehr nach Arizona als nach Paris. Wozu auch ihre Entscheidung für die Sprache passt: Von zwölf Songs singt Delpy elf auf Englisch.
Dabei war die Musik für Delpy zunächst eine Sache ihrer früheren Jugend: „Im Alter von sieben bis 20 Jahren spielte ich Klarinette und machte Klassik und Jazz.“ Vor gut drei Jahren habe sie dann begonnen, Gitarre zu spielen und sei in kleinen Clubs und Bars aufgetreten. Die Wendung brachte ein Freund in Paris: Der hörte Delpys Songs, stellte ihr den Produzenten Philippe Eidel zur Seite und organisierte die Aufnahmen. Seitdem denkt Delpy auch über ihre Zukunft als Schauspielerin nach: „Ich kann nicht nur Schauspielerin sein, weil das bedeutet, nur die Gefühle und Gedanken anderer Leute auszudrücken. Je älter ich werde, desto mehr fühle ich mich dazu hingezogen, Musik zu machen.“
Vor der nächsten CD-Produktion wird Delpy allerdings mit der jüngst abgedrehten, noch namenlosen Fortsetzung von Before Sunrise auf den Kinoleinwänden präsent sein – und damit sicher mehr Aufmerksamkeit erregen als bei ihrer aktuellen Tour durch deutsche Konzerthäuser. Denn Delpys Songs allein sind zu durchschnittlich und ihre Stimme ist zu glatt, als dass sich da eine zweite Karriere anbahnen ließe. Der Reiz ihres Musikprojekts liegt in ihrem freimütigen Bekenntnis zum Regen – und entsteht wesentlich dadurch, dass in Hollywood sonst nur die Sonne scheint. Klaus Irler
16.1., 20.30 Uhr, Schwankhalle, Bremen. 17.1., 20 Uhr, Neu (Ex-Mojo Club), Hamburg