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Archiv-Artikel

Neue, alte Koalition

Nach vier Tagen Sondierung: ÖVP-FPÖ-Regierungskoalition im Kasten. Haider-Freunde und -Feinde dabei. Sparpaket soll durchgeboxt werden

WIEN taz ■ Schnell ist sie gegangen, die Einigung zwischen den alten und neuen Koalitionspartnern ÖVP und FPÖ. Der Abschluss des Regierungsübereinkommens nach nur viertägigen Verhandlungen zeigt die politisch-ideologische Verwandtschaft der beiden Parteien. Am Tag 97 nach den Nationalratswahlen vom 24. November und schier endlosen Sondierungen mit allen drei möglichen Partnern FPÖ, SPÖ und den Grünen ließ Kanzler Wolfgang Schüssel gestern seine Regierung von Bundespräsident Thomas Klestil vereidigen.

Der FPÖ-Teil der künftigen Regierungsmannschaft ist das Produkt einer diffizilen innerparteilichen Gleichgewichtspolitik, die das rechte Haider-Lager, aber auch die Gruppe um den Papierfabrikanten und Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn befrieden muss. Prinzhorn ist der mächtige Gegenspieler des Kärtner Landesobmanns und Exparteichefs Jörg Haider.

So wird Haider-Freund Herbert Haupt Vizekanzler und bleibt Sozialminister. Allerdings muss er die Agenden Frauen, Familie und Gesundheit an die bisherige ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat abgeben. Die wiederum bekommt die Haider-Schwester Ursula Haubner als Staatssekretärin für Soziales zur Seite gestellt.

Haider-Anwalt Dieter Böhmdorfer, der als Justizminister der alten Regierung mehr Misstrauensanträge als jeder andere abwehren musste, bleibt im Amt. Das Infrastrukturministerium geht vom Kärntner Biobauern Mathias Reichhold an den Vorarlberger FPÖ-Chef Hubert Gorbach. Dieser gilt als Vertrauter Prinzhorns. Gorbach ist in weniger als drei Jahren der vierte Minister in diesem Monsterressort. Den Bereich Verkehr übernimmt allerdings der ÖVP-Mann Helmut Kukacka als Staatssekretär. Finanzminister bleibt Karl-Heinz Grasser, allerdings auf dem Ticket der ÖVP. Die Landesverteidigung wandert zurück zur ÖVP. Mit Günter Platter, Bürgermeister der Tiroler Gemeinde Zams, Präsident des Tiroler Trachtenverbands und Ex-Wehrsprecher der ÖVP, kommt da ein weitgehend unbeschriebenes Blatt ins Kabinett. Zu seinen vorrangigen Aufgaben wird die schnelle Abwicklung des umstrittenen Ankaufs von Abfangjägern gehören. Neu im Team ist auch der 33-jährige Landwirtschaftsminister Josef Pröll, Direktor des ÖVP-Bauernbundes.

Der bisherige Minister, Wilhelm Molterer, wird ÖVP-Fraktionschef im Parlament. Dieser Wechsel ist keine Zurückstufung, denn gemeinsam mit seinem neuen Pendent bei der FPÖ, dem Exverteidigungsminister Herbert Scheibner, wird Molterer dafür zu sorgen haben, dass die prekäre Mehrheit im Parlament hält. In beiden Parteien gibt es Dissidenten, die die Regierung in Verlegenheit bringen könnten. Schließlich steht ein unpopuläres Sparpaket an, das von Selbstbehalten beim Arztbesuch über die stufenweise Abschaffung der Frühpensionen bis zu höheren Treibstoffsteuern reicht und vor allem den „kleinen Mann“, die klassische Klientel der FPÖ, belasten wird. RALF LEONHARD