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Archiv-Artikel

Teure Kühe, arme Schweine

Warum können sich die EU-Länder nicht einigen, das System der Subventionen für die Landwirtschaft zu reformieren? Das fragt sich Arte auch: „Was wird aus unserer Landwirtschaft?“ (14.30 Uhr)

von INA KÖHLER

Der normale Städter interessiert sich nicht wirklich für Landwirtschaft – er genießt seine Trüffelleberpastete auf herzhaftem Bauernbrot, geht am Wochenende gern auf gepflegten Wegen zwischen weiten Auen spazieren und schweigt. Genauso einer war auch Nick Fraser – bis Februar 2002. Da hatte er genug von Subventionswirrwarr und Lebensmittelskandalen, nahm die Kamera und brach auf zu einer Rallye durch die Länder der EU, um herauszufinden, was es mit der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) auf sich hat.

Für jedes Feld in Europa zahlt die GAP einen Euro pro Hektar am Tag – auch wenn nichts darauf wächst. Diese Art von Förderung treibt in den Ländern der EU unterschiedliche Blüten: In Frankreich trifft Frazer auf ein Volk von Gourmets. Die Franzosen sind stolz auf ihre gehobene Esskultur und idyllische Landschaften, übersehen dabei aber völlig, dass beides nur durch satte Subventionen möglich wird. Mit jährlich rund 4 Milliarden Euro ist Frankreich der größte Profiteur der GAP, Deutschland hingegen der größte Einzahler. Zwei Euro erhält eine europäische Kuh an jedem Tag, den sie lebt. Schweine bekommen nichts, trotzdem lässt sich mit ihrer Massenproduktion viel Geld verdienen. In Dänemark gibt es fünfmal so viele Schweine wie Menschen. Weil aber deren Hinterlassenschaften zum ernsthaften Problem geworden sind, wurde dort eigens eine Anlage entwickelt, die Gülle in Wasser und Dünger trennt. In Deutschland begegnet Fraser einer Ministerin, die sich für nachhaltige Landwirtschaft ins Zeug legt. Wie zerbrechlich der Kampf von Renate Künast für Klasse statt Masse ist, zeigt sich, wenn der deutsche Biobauer zugibt: „Wenn ich keine Zuschüsse mehr bekomme, stelle ich sofort wieder auf konventionellen Anbau um.“

Der englische Bauer ist hingegen eher ein Landschaftsgärtner. Nicht nur Prinz Charles liebt Hecken, und die Briten lassen sich lieber ihre Wiesen denn die Hege ihres Viehs bezahlen. Die Spanier wiederum entlocken ihrem Boden gleich drei Ernten im Jahr. Die Folge: Riesige Gewächshäuser zerstören die Ökologie ganzer Landstriche.

In Polen schließlich findet Fraser einen Bauerhof, der noch so funktioniert, wie ihn sich das Kind vorstellt, wenn es das Lied vom Bauern und seinen Rösslein singt: Die Schweine haben ausreichend Platz und leben auf gemütlichem Stroh, der Hof ist überschaubar, sein Ertrag wird nach ökologischen Prinzipien erzeugt, und der Bauer und seine Familie leben davon.

Verrückte Welt – 30 Prozent der Polen leben bisher von der Landwirtschaft. Es wird erwartet, dass sich nach dem Beitritt zur EU nur ein Bruchteil von ihnen halten kann.

Malade Subventionitis

Weil die derzeitige Subventionspraxis nur die großen Betriebe fördert, setzt sich EU-Kommissar Franz Fischler vehement dafür ein, die Beihilfen von den Stückzahlen und Flächenprämien vorsichtig zu entkoppeln und die Zahlungen stattdessen auch an Umweltmaßnahmen und Arbeitsplätze zu binden.

Seine Vorschläge scheiterten am Veto der südlichen Länder und allen allen voran Frankreichs, die auf ihre satten Zahlungen nicht verzichten wollten. Bis 2006 bleibt nun alles beim Alten. Auch die Polen lehnten Strukturhilfen ab und wollten sich lieber am Subventionskuchen der etablierten EU-Länder beteiligen.

Die englisch-französische Koproduktion entgeht der Gefahr, für eines der Länder Partei zu ergreifen, seine Herkunft kann der Autor allerdings nicht verleugnen, mit britischem Humor und genüsslicher Liebe zum Detail zeigt er die Kuriositäten der bürokratisierten Landwirtschaft: Es ist eine unendlich langsame, gewissenhafte Prozedur, wenn spanische Guarda Civil Olivenhaine vermessen, um den Missbrauch von EU-Geldern zu verhindern. Köstlich das Gesicht des dänischen Anlagebauers, der vom Filmemacher genötigt wird, sein als „reines Trinkwasser“ gepriesenes Produkt aus Schweinegülle zu trinken.

Der Film zeigt aber auch die tiefe Emotionalität, die dem Thema innewohnt. Ob in England, Dänemark oder Frankreich – der Blick übers weite Land führt bei Städtern und Bauern gleichermaßen zum tiefen Seufzer: „Ich liebe diese Landschaft, die darf sich niemals ändern.“

Fraser macht deutlich, wie komplex das Problem ist, und muss am Ende zugeben, dass europäische Landwirtschaft ohne Subventionen wohl nicht denkbar ist. Trotzdem scheint ihm sicher: „Es kann nicht richtig sein, dass Subventionen und Zollschranken die Länder der Drit- ten Welt wettbewerbsunfähig machen.“

Auch dem verwöhnten Städter erspart er kein unappetitliches Detail. Denn egal, ob die Kamera emotionslos die Reihen der im Akkord aufgeschlitzten Schweinekadaver oder kilometerweite mit Folie bedeckte Landschaften entlangfährt – die Antwort auf die unschuldige Frage nach dem Warum ist immer die gleiche: „Der Verbraucher fragt nach dem Preis, nicht nach der Herkunft.“