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Archiv-Artikel

Da geht er hin, der Streik

Die meisten Studenten machen wieder Scheine. Wenige Unentwegte bleiben aktiv

Die Mahnwache vor dem Roten Rathaus will weitermachen. Ein kleiner, unnachgiebiger Trupp Studenten trotzt seit zwei Monaten unterschriebenen Hochschulverträgen, desinteressierter Unnachgiebigkeit der Politiker und dem Ende des Streiks. Zwar haben die Vollversammlungen an HU, TU und FU nicht offiziell das Aus verkündet, doch sind diese Gremien mangels Teilnehmern auch nicht mehr beschlussfähig. Die Masse der Studenten studiert wieder, und zwar unter den schlechten Bedingungen, gegen die sie auf die Straße gegangen sind.

Oder hat der Streik doch etwas bewegt? Jedenfalls ist keine der Maximalforderungen – Rücknahme der 75 Millionen Euro Einsparungen für 2006 bis 2009 an den drei Unis, Ausfinanzierung von 135.000 Studienplätzen, Viertelparität in Gremien – umgesetzt worden. Das weiß Jens Fischer vom Streikbüro der Freien Universität, aber das sei auch nicht so wichtig. Irgendwann sei klar gewesen, dass diese Forderungen nicht durchzukriegen seien, trotzdem habe es sich gelohnt. Selten seien so viele Leute politisch aktiv geworden.

Was ein Akademischer Senat ist, dürften die meisten Studenten jetzt zumindest wissen. Das Hochschulgremium, das interne Angelegenheiten beschließt, hat am Mittwoch an der FU die Streichung von 82 Professorenstellen in den nächsten fünf Jahren durchgewinkt. Infolgedessen wird beispielsweise die Soziologie bis zum Jahre 2012 abgewickelt.

Die AG „Gebrochene Versprechen“, die sich in den ersten Streiktagen gebildet hatte, gibt es noch. „Wir beraten gerade, was man weiter tun kann“, erzählt Soziologiestudent Jonas Radl. Er sagt es nicht frustriert. Es werde etwas übrig bleiben von der Solidarität, die sich unter den Kommilitonen während des Streiks entwickelt habe.

Peter Grottian, der Politik am benachbarten Otto-Suhr-Institut lehrt, beklagt, dass sich die Streikenden ausschließlich auf den Senat und dessen Pläne gestürzt hätten. Fragen nach der Besoldung von Professoren oder Lehrplaninhalten seien nicht auf den Tisch gepackt worden. Immerhin hätten die Studenten an seinem Institut erreicht, dass im Sommersemester acht zusätzliche Lehraufträge an freie Dozenten vergeben würden, die etwa Seminare zur Stadtpolitik anböten. Ein bescheidener Erfolg des Streiks, meint Grottian.

Die aktiven Protestierer der Humboldt-Universität (HU) haben kaum mehr vorzuweisen. Der größte Erfolg: Die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät (LGF) wird nicht vollständig geschlossen, sondern bleibt abgespeckt bestehen. 10 Professuren von derzeit 31 haben Studierende und Dozenten HU-Präsident Jürgen Mlynek bisher abverhandelt. „Dieses Ergebnis würden wir als Niederlage bewerten“, so Valeria Raupach von der Fachschaft der LGF. Das Institut hatte ein Sparkonzept mit 17 Stellen erarbeitet. Der Dekan der Fakultät, Jens Nagel, hofft, dass der Akademische Senat am kommenden Dienstag zumindest 15 Professuren genehmigt. Das wäre ein Etappensieg, meint er.

Für Streikaktive wie HU-Philosophiestudentin Franziska Roy ist das Ende der medienwirksamen Proteste nicht das Ende. Persönlich verbucht sie ihn unter positive Erfahrung: „Wir haben erfolgreich neue, basisdemokratische Umgangsformen erprobt.“ Als Ergebnisse sieht sie unter anderem die entstandenen Netzwerke mit Gewerkschaften und Bürgerinitiativen.

Gegenwärtig organisiert sie Veranstaltungen an der „Offenen Uni“. Diese wurde kurz vor Weihnachten im Seminargebäude der HU eröffnet und hat sich bisher als öffentliche Gegenuniversität behauptet. „Die Offene Uni lebt vom Austausch mit anderen Gruppierungen“, so Roy. Sie könnte dazu beitragen, das Bündnis zwischen den Studierenden und anderen sozialen Gruppen lebendig zu erhalten.B. BREITER, A. LEHMANN