: Regierung bettelt beim Gericht
Die Antragsteller im NPD-Verbotsverfahren versuchen, Karlsruhe doch noch zur Fortführung des Verfahrens zu überreden. Eine „Sachklärung“ habe noch gar nicht stattgefunden. Sie reagieren damit auf das Gerücht, das Verfahren solle eingestellt werden
aus Freiburg CHRISTIAN RATH
In letzter Sekunde versuchen die Antragsteller im NPD-Verbotsverfahren das Karlsruher Ruder noch einmal herumzureißen. In vierseitigen „Gegenvorstellungen“, die der taz vorliegen, versuchen die Anwälte von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag das weithin prognostizierte Scheitern des Verfahrens doch noch abzuwenden.
Am kommenden Dienstag will das Bundesverfassungsgericht mitteilen, wie es im NPD-Verbotsverfahren weitergeht. Aus der Formulierung der Einladung und anhand von Gerüchten schließen viele Beobachter, dass das Gericht das Verfahren wegen der V-Mann-Problematik einstellen wird.
„Eine solche Entscheidung wäre aus Sicht der antragstellenden Verfassungsorgane eine Überraschungsentscheidung“, heißt es im Schriftsatz der Anwälte. Beim Erörterungstermin am 8. Oktober seien viele Fragen „zurückgestellt“ worden, weil man sie in der eigentlichen mündlichen Verhandlung intensiv erörtern wollte. Eine ausführliche „Sachaufklärung“ habe damit noch nicht stattgefunden.
Tatsächlich hatte der Zweite Senat die für Februar 2000 geplante mündliche Verhandlung über die Verbotsanträge abgesagt, nachdem sich ein als Zeuge geladener NPD-Funktionär als V-Mann des Verfassungsschutzes entpuppte. In der Folge wurden zahlreiche weitere Spitzel unter den NPD-Spitzenleuten bekannt. Am Ende räumten die Antragsteller ein, dass in den NPD-Vorständen in Bund und Länder jeder Siebte Geld vom Verfassungsschutz erhielt. Was dies für das Verbotsverfahren bedeutet, sollte bei dem Erörterungstermin am 8. Oktober ausführlich diskutiert werden.
Aus heutiger Sicht muss man allerdings feststellen, dass der Termin von allen Seiten ziemlich schlecht vorbereitet war. Die NPD konnte keine Belege für ihre These beibringen, dass sie von den V-Leuten inhaltlich gesteuert wurde. Andere Fragen wurden vom Gericht vernachlässigt. So war das Problem, dass V-Mann Udo Holtmann im NPD-Bundesvorstand die Prozessstrategie der Partei ausforschen könnte, in der Verhandlungsgliederung des Gerichts gar nicht aufgeführt. Umso überraschter waren die Richter, als der NPD-Vorsitzende Udo Voigt am Nachmittag des 8. Oktober – der Erörterungstermin plätscherte so dahin – plötzlich diese Frage ansprach. NPD-Anwalt Horst Mahler nutzte die Verwirrung und spitzte das Problem noch zu: Es könne ja auch sein, dass er selbst und sein Kollege Günther Eisenecker V-Leute seien. Da zog sich der Senat zur Beratung zurück. Die Antragsteller schlossen damals aus, dass die Anwälte Spitzel sind. Einige Tage später schoben sie die Erklärung nach, dass nun im Bundesvorstand kein aktiver V-Mann mehr sei.
Vermutlich liegt in der Gefährdung der NPD-Prozessvorbereitungen durch zu spät abgeschaltete Spitzel im Vorstand der Grund für ein unheilbares Verfahrenshindernis, das Karlsruhe zur (erwarteten) Einstellung des Verbotsverfahrens zwingt. Im Erörterungstermin selbst wurde Konsequenz einer sofortigen Verfahrenseinstellung aber nicht explizit diskutiert. Auf der Agenda stand nur die Frage, ob und wie die Antragsteller möglicherweise auch Informationen über V-Leute, die sie noch geheim hielten, liefern müssen. Dies ist aber wohl eher eine Stil- als eine Rechtsfrage.
Und wie stellen sich die Anwälte den weiteren Fortgang vor? „Die Richter könnten am 18. März ja doch einen Termin zur mündlichen Verhandlung verkünden“, meint Wolfgang Löwer, der den Bundestag vertritt. Das Gericht bestätigte bislang nur, dass der Schriftsatz eingereicht wurde. Wie es weiterverfahren will, soll aber noch vor Dienstag mitgeteilt werden.