: Zeichen setzen wider die Sturheit
Erst wegen ihrer Herkunft diskriminiert und jetzt auch noch von Verhaftung bedroht: Maria Mukuna wird nach Auffassung des Kölner AntiDiskriminierungsBüros vom Landgericht „skandalös“ behandelt
Von Susanne Gannott
Doktor Denis Mukuna versteht die Welt nicht mehr: Erst wird seine Frau Maria wegen ihrer afrikanischen Herkunft diskriminiert und jetzt droht ihr auch noch Gefängnis – bloß weil sie vor Gericht für ihr Recht kämpfen wollte und ihr Anwalt die Sache verbockte.
Auch Susanne Laaroussi vom AntiDiskriminierungsBüro (ADB) Köln hält die Behandlung des Falls Mukuna durch das Kölner Landgericht für „skandalös“. An sie hatte sich Maria Mukuna im März 2001 gewandt, nachdem ihr die Schule, bei der sie eine dreijährige Umschulung zur Altenpflegerin machte, kurz vor der Abschlussprüfung gekündigt hatte. Begründung: Maria Mukuna habe Dozenten und Geschäftsführerin beschimpft und sogar als Rassisten bezeichnet.
Daraufhin nahm sich Mukuna einen Anwalt, der die Geschäftsführerinnen der Schule wegen rassischer Diskriminierung auf Schadensersatz verklagte. Tatsächlich bestätigen die Zeugenaussagen von einem Dozenten, einem Mitschüler sowie dem ehemaligen Leiter der Schule, dass mindestens eine der Dozentinnen Mukuna „durchgängig attackiert“ habe, erklärt Laaroussi gegenüber der taz: „Nach unseren Recherchen gibt es genügend Indizien, dass Mukuna massiv diskriminiert wurde.“
Doch zu Maria Mukunas Pech erkrankte ihr Anwalt an einer schweren Depression. So erfuhr sie nicht, dass ihre Klage am 8. Mai 2003 vor dem Kölner Landgericht verhandelt und sie wegen Abwesenheit zu einer Geldbuße verurteilt worden war. Auch mit der Zahlungsaufforderung der Gerichtsvollzieherin, die ihr im September zugestellt wurde, konnte sie daher nichts anfangen. Da jedoch weder die Gerichtsvollzieherin noch der Anwalt zunächst erreichbar waren, verpasste Mukuna die Einspruchsfrist gegen dieses „Teilversäumnisurteil“. Da dies jedoch nicht ihre Schuld war, stellte ihr neuer Anwalt, Peter Simon, am 10. Oktober einen Antrag auf Fristverlängerung und „Wiedereinsetzung“, was bedeutet, das Verfahren an der Stelle wieder aufzunehmen, wo es am 8. Mai ohne Wissen der Klägerin begonnen hatte. Aber obwohl dies eine Eilsache gewesen sei, habe er nur durch Zufall nach zwei Monaten erfahren, dass das Gericht den Antrag abgelehnt hatte, erzählt Simon. Und zwar mit einer Begründung, die er „inhaltlich wie formal schlicht als unglaubliche Frechheit“ bezeichnet.
Seit dem 2. Januar liegt der Fall nun als „sofortige Beschwerde“ von Simon beim Oberlandesgericht. Davon unabhängig läuft jedoch die Zwangsvollstreckung des Bußgelds gegen Mukuna weiter. Im Januar wurde Haftbefehl gegen sie erlassen: Am 2. Februar droht ihre Verhaftung, wenn sie bis dahin nicht zahlt oder eine eidesstattliche Versicherung ablegt. Dies will die 45-jährige Kongolesin allerdings „aus Prinzip“ nicht: „Ich habe schließlich nichts verbrochen.“ Auch wenn ihr Anwalt Simon „nicht dazu raten kann“, ins Gefängnis zu gehen – Maria Mukuna will den Fall jetzt auf die Spitze treiben. Nur so, hoffen sie und ihr Mann, kann vielleicht genug öffentlicher Druck entstehen, der die Richter zum Einlenken bringt. Über 200 Briefe hat Denis Mukuna an Politiker, Institutionen und Medien verschickt. Das Büro der Ausländerbeauftragten Marie-Luise Beck (Grüne) hat bereits mit dem Anwalt telefoniert. „Wir müssen die Sturheit der Richter politisieren“, sagt Denis Mukuna. Er vermutet dahinter eine verdeckte Unterstützung derjenigen, die seine Frau diskriminiert hatten.
So weit will Susanne Laaroussi zwar nicht gehen. Aber auch sie hält die Ablehnung der Wiedereinsetzung durch das Kölner Landgericht für höchst „unsensibel“. Ohnehin sei es in Deutschland schwierig, Diskriminierung gesetzlich zu ahnden. Weil immer noch ein Anti-Diskriminierungsgesetz fehlt, müsse man den Umweg über Verletzung des Persönlichkeitsrechts nehmen. „Mit einem Gesetz würde auch bei den Richtern das Bewusstsein für die Handhabung solcher Fälle wachsen“, glaubt sie.
Die Mukunas jedenfalls haben den Glauben an den deutschen Rechtsstaat inzwischen verloren. Auch ihre Freunde in der Zollstocker St. Pius-Gemeinde würden nur noch mit dem Kopf schütteln, erzählt Maria Mukuna. Nach 20 Jahren in Deutschland, wo sie drei Kinder geboren und großgezogen hat, fühlt sie sich von den Richtern, die ihr doch zu ihrem Recht verhelfen sollten, im Stich gelassen. Am Wochenende wollen sich die Mukunas mit ihren deutschen und afrikanischen Freunden beraten, was zu tun ist, wenn am Montag wirklich die Polizei anrückt, um Maria abzuholen. Noch hat ihr Mann ein letztes Fünkchen Hoffnung: „Wenn sie kommen, rufen wir unsere Freunde und das Fernsehen und machen Krach. Dann werden sie es nicht wagen, sie mitzunehmen.“