: Von Störtebeker zu Seeler
Der Hamburger Senatspressesprecher Christian Schnee hat eine „kleine Stadtgeschichte“von Hamburg geschrieben, die die Senatsverwaltung bestimmt nicht kaufen wird
Von MARCO CARINI
Wenn er sein Tagewerk getan, ist Christian Schnee manchmal unausgelastet. „Nach 20 Uhr erreicht man beruflich sowenig Leute“, gibt der 29-Jährige zu bedenken. Dann haut er schon mal in die Tasten seines Computers – lässt die Aktualität Aktualität sein und schreibt Schnee von gestern. Herausgekommen ist dabei eine „kleine Stadtgeschichte“ Hamburgs. Und da Pressesprecher in der Regel alles veröffentlicht sehen wollen, was sie so von sich geben, hat Schnee auch gleich ein Buch daraus gemacht, das jetzt im Sutton-Verlag erschienen ist.
Mit „viel Mut zur Lücke“ erzählt Schnee auf 128 Seiten zehn Geschichten aus der Geschichte der Hansestadt. Sie beginnen mit dem Mönch Ansgar in der Hammaburg im neunten Jahrhundert und enden mit der Inthronisierung seines Chefs Ole von Beust im Hamburger Rathaus. In unterhaltsamem und verständlichem Ton, angereichert mit Klischees, Anekdoten und ein paar Heldenfiguren – von Störtebeker bis Uwe Seeler – streift Schnee durch die Hamburger Historie. So beschaulich dahinplätschend, dass das Grauen bestimmter geschichtlicher Epochen, etwa in der Nazi-Zeit, nicht wirklich sichtbar wird.
Besonders das Kapitel „Das Rathaus wird schwarz“, berührt den Senatssprecher persönlich, verdankt er diesem historischen Umstand doch seinen Job. Dass wer involviert ist, selten noch den Blick von außen bewahren kann, wird hier allzu deutlich. Den Regierungswechsel zu beschreiben, ohne nur einmal den Namen Ronald Schill zu erwähnen, das schafft nur einer, der jahrelang in Hamburg und Hessen als CDU-Pressesprecher tätig war. Und bei seinem entschiedenen Plädoyer für das von Beustsche Konzept der „wachsenden Stadt“ gleitet Autor Schnee doch allzu deutlich in seine hauptberufliche Tätigkeit hinüber.
Schon an Wiesbaden hat sich Schnee für den Sutton-Verlag einmal stadtgeschichtlich versucht, wobei es ihm die Episode, wie sich Elvis Presley und Priscilla im Wiesbadener Stadtpark kennenlernten, besonders angetan hat. Nun hat der Neu-Hamburger Gefallen an der Hansestadt gefunden, die aus seiner Perspektive „für jeden der südlich von Göttingen lebt, ein Hafen mit angeschlossener Stadtverwaltung ist“. Dass das nicht ganz stimmt, sollen nun Touristen, Zugezogene und Alteingesessene gleichermaßen von Schnee erfahren. Nicht bestellen wird das Buch hingegen wohl die Senatsverwaltung. Denn dann, vermutet der Autor „hätten wir bestimmt sofort einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß Filz“.