stefan kuzmany über alltag : Die Nächte mit meiner intelligenten Bombe
Was wünscht man anderen, was wünscht man sich? Gut, wenn man in schlaflosen Zeiten eine erfahrene Freundin hat
Wenn ich dieser Tage nachts nicht schlafen kann, was selten passiert, denn trotz des Krieges im Irak kann ich hervorragend schlafen, wie ich eigentlich (und es ist mir ein wenig unangenehm, das zuzugeben) auch schon während des Kosovo-, des Kongo- und auch des Afghanistankrieges bestens geschlafen habe, denn ich war ja nicht schuld daran und noch weniger betroffen, wenn ich also dieser Tage ungewöhnlicherweise mal nicht schlafen kann, weil ich beispielsweise zu später Stunde noch einen Schweinsbraten verzehrt habe, dann rufe ich meine Freundin an, die intelligente Bombe.
Kennengelernt haben wir uns vor zwei Jahren, als ich mal beim Friseur die Zeitschrift loyal. Das deutsche Wehrmagazin durchblätterte. Ein wirklich gut gemachtes Magazin. In der aktuellen Ausgabe zum Beispiel gibt es auf der Seite drei einen lustigen Cartoon von Greser & Lenz, die zeichnen sonst nur für die Titanic und die FAZ. Lachen mit der Bundeswehr, sehr gut. Die hat ja sonst nichts zu lachen, alles wird ständig gekürzt, es macht offenbar gar keinen Spaß mehr, Soldat zu sein.
Vor zwei Jahren jedenfalls muss es gewesen sein, da gab es in loyal einen großen Artikel über die intelligente Bombe. Zuerst mochte ich sie ja nicht, die Bombe, aber nach einer Weile habe ich sie lieben gelernt, wie man so schön sagt. Ich fragte bei loyal nach, ob ich ihre Telefonnummer bekommen könnte. Die Kollegen dort hatten nichts dagegen, ich rief sie also an, und so hat sich eine nette Fernfreundschaft ergeben. Persönlich getroffen haben wir uns noch nie, sie ist ja ständig im Einsatz.
Letzte Woche haben wir mal wieder miteinander gesprochen, denn da konnte ich nicht schlafen, weil ich mich sehr geärgert hatte.
„Bombe“, sagte ich, „Du kannst Dir nicht vorstellen, was mir passiert ist.“
„Was denn?“, fragte die Bombe.
„Ich sitze in einer Kneipe und am Nebentisch sitzt einer, der sagt ganz laut: ‚Hoffentlich geht der Krieg noch vor dem Zwanzigsten los, dann mache ich einen riesigen Gewinn.“
„Na und?“, fragte die Bombe.
„Das ist doch unmoralisch!“, rief ich empört. „Wenn da einer Geschäfte mit dem Krieg macht! Optionsgeschäfte und Derivatehandel, oder wie dieses Zeug heißt!“
„Optionsgeschäfte sind ein Teil des Derivatehandels“, sagte die Bombe kühl. Sie ist wirklich sehr schlau. „Und überhaupt, Moral. Hör mir doch auf mit Moral“, sagte die Bombe.
So schnell wollte ich mich aber nicht geschlagen geben. „Wegen solcher Leute werden diese Kriege doch überhaupt geführt. Tausende von Kindern, Frauen und Männern werden sterben, hat der Bundeskanzler gesagt. Und warum? Damit so ein Arsch seinen Profit machen kann.“
„Verwechselst Du da nicht Ursache und Wirkung?“, fragte die Bombe.
„Nein“, sagte ich. „Doch“, sagte die Bombe. Nein. Doch. Nein. Doch. Das Gespräch führte zu nichts. Die Bombe legte auf.
Ich rief wieder an.
„Bombe, könntest Du nicht statt der vielen unschuldigen Kinder, Frauen und Männer lieber diesen Aktien-Arsch treffen? Ein kleiner Präszisionsschlag, na? Ich gebe Dir auch seine genauen Koordinaten durch. Hast Du was zum Schreiben? Also, der Typ wohnt in Berlin, in der ...“
Doch die Bombe wollte nicht mitschreiben. „Ich kann ihm den Willen zur persönlichen Gewinnmaximierung nicht verübeln“, sagte sie.
„Aber ... das macht man doch nicht. Das geht doch nicht“, sagte ich hilflos.
„Man macht es wohl. Siehst doch, dass es geht“, sagte die Bombe. Wie immer hatte sie die Realität auf ihrer Seite. Das gefiel mir zwar nicht, aber ich musste es akzeptieren. Wir redeten noch ein wenig über Schach (auch auf diesem Gebiet ist sie mir natürlich meilenweit voraus). Dann beendeten wir unser Gespräch.
Gestern haben wir wieder miteinander gesprochen. Ich hatte da eine neue Frage.
„Sag mal, Bombe, wenn Bush den Saddam tatsächlich mit seinem ersten chirurgischen Schlag getroffen und erledigt hat, dann stehen die Kriegsgegner ganz schön dumm da, oder?“
„Hihi“, sagte die Bombe, „dann könnt ihr als Schlagzeile: KRIEG SCHON VORBEI! DANKE, GEORGE! schreiben.“
„Soll ich dann etwa hoffen, dass der Krieg sehr lange dauert, damit Bush als besonders grausam dasteht und ich mit meiner Kriegsgegnerschaft Recht behalte?“, fragte ich bang.
„Ich würde mich ja gerne mit Dir weiter darüber unterhalten“, sagte die Bombe. „Aber ich muss jetzt los.“ Und weg war sie.
Fragen zur Bombe?kolumne@taz.de