„Ich fühle mich zur Klage verpflichtet“

Die Reform des BKA-Gesetzes schützt die Privatsphäre nicht ausreichend, sagt der Altliberale Gerhart Baum – etwa wenn bei der Online-Durchsuchung private Daten kopiert werden. Deshalb will er vor dem Verfassungsgericht klagen

GERHART BAUM, 76, ist Rechtsanwalt und FDP-Mitglied. Von 1978 bis 1982 war er Bundesinnenminister.

taz: Herr Baum, am Mittwoch wird die BKA-Reform im Bundestag beschlossen. Sie haben eine Verfassungsklage angekündigt. Was bemängeln Sie?

Gerhart Baum: Die Bundesregierung hat es wieder nicht geschafft, den Kernbereich privater Lebensführung ausreichend zu schützen. Das ist nicht nur eine rechtspolitische Kritik, dadurch wird die BKA-Novelle vielmehr verfassungswidrig. Teilweise fehlt der Schutz des Kernbereichs ganz, teilweise genügt er nicht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts.

Wo fehlt der Schutz ganz?

Bei der langfristigen Observation und wenn ein Gefährder außerhalb von Wohnungen abgehört und gefilmt wird. Das sind aber Ermittlungsmethoden, bei denen durchaus sehr persönliche Sachverhalte erfasst werden können.

Wie sieht es bei der Online-Durchsuchung von Computern aus?

Auch hier wird der Gesetzentwurf den Karlsruher Anforderungen nicht gerecht. Eine Ausspähung des Computers muss laut Entwurf nur unterbleiben, wenn „allein“ Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden. Das wird natürlich nie der Fall sein. Auf einem Computer finden sich ja immer auch weniger private Inhalte.

Wie müsste die Bestimmung verfassungskonform formuliert werden?

Wenn man Online-Durchsuchungen überhaupt für nötig und sinnvoll hält – ich tue das nicht! –, dann müsste der Zugriff auf den Computer immer dann ausgeschlossen sein, wenn es Indizien gibt, dass der private Kernbereich betroffen sein könnte.

Die Bundesregierung will, dass das BKA erst mal die Festplatte kopieren kann und anschließend allzu private Inhalte von den BKA-Beamten gelöscht werden. Genügt das nicht?

Natürlich nicht. Sie können von BKA-Beamten doch keine wirklich unabhängige Prüfung erwarten. Selbst wenn private Dateien wieder gelöscht werden, besteht die Gefahr, dass die Ermittler aus diesen persönlichen Informationen neue Ermittlungsansätze gewinnen.

Nach dem Kompromiss von vergangener Woche soll neben zwei BKA-Beamten auch der Datenschutzbeauftragte des BKA in die Durchsicht einbezogen werden. Angeblich ist er völlig weisungsunabhängig …

Auch der BKA-Datenschutzbeauftragte ist nicht so neutral und unabhängig wie ein Richter. Ich frage mich, warum die Koalition hier unbedingt die Einschaltung eines Richters verhindern will.

Macht es Ihnen auch Spaß, der Bundesregierung in Karlsruhe eine Niederlage nach der anderen zuzufügen?

Heute wird im Bundestag die Reform des BKA-Gesetzes beschlossen. Das Bundeskriminalamt, das bisher nur für Strafverfolgung zuständig war, wird damit erstmals präventive Befugnisse bekommen. Hierzu wurde in der Föderalismus-Reform 2006 die Verfassung geändert. Die neuen BKA-Befugnisse sind auf die Abwehr des internationalen Terrorismus beschränkt. Am umstrittensten ist, dass das BKA heimlich auf private Computer-Festplatten zugreifen darf. Das Bundesverfassungsgericht hatte solche Online-Durchsuchungen im Februar – anhand eines nie angewandten NRW-Gesetzes – grundsätzlich abgesegnet. FDP, Grüne und Linke werden gegen die Reform stimmen. Sie wollen, dass für die Terrorabwehr weiterhin die Landeskriminalämter zuständig bleiben. Der Sprecher der Grünen für innere Sicherheit, Wolfgang Wieland, sagt: „Die große Koalition will das BKA zum deutschen FBI aufrüsten.“ Eine Kriminalpolizei mit den Kompetenzen eines Geheimdienstes, ohne Kontrolle durchs Parlament und ohne Leitung durch die Bundesanwaltschaft dürfe es nicht geben. Neben Gerhart Baum haben die Grünen eine Verfassungsklage angekündigt. CHR

Darauf könnte ich verzichten. Es wäre mir lieber, wenn verfassungskonforme Gesetze beschlossen würden. Aber hier fühle ich mich schon deshalb zur Klage verpflichtet, weil ich mit früheren Klagen die Vorgaben des Verfassungsgerichts zum Schutz des privaten Kernbereichs und zum Schutz von Computer-Festplatten erst erstritten habe. Jetzt will ich dafür sorgen, dass diese Vorgaben auch eingehalten werden.

Werden Sie diesmal allein Verfassungsbeschwerde erheben?

Nein, gemeinsam mit meinem Neffen Peter Schantz, einem hervorragenden Juristen, der schon bei der ersten Verfassungsbeschwerde gegen die Onlinedurchsuchung in NRW maßgeblich beteiligt war.

INTERVIEW: CHRISTIAN RATH