Therapie trotz Überbelegung

Ein Gerichtsbeschluss zwingt Regierung und Träger der forensischen Kliniken zum Handeln: Psychisch kranke Straftäter haben ein Anrecht auf einen Therapieplatz. Vorzeitig entlassen wird aber niemand

VON HOLGER PAULER

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Hamm vom 25. November 2003 bereitet jetzt Probleme. Danach müssen psychisch kranke Patienten des so genannten Maßregelvollzuges freigelassen werden, wenn für sie kein Therapieplatz zur Verfügung steht. „Wir müssen kurzfristig 20 neue Plätze schaffen“, sagt Karl Donath vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) als Träger der forensischen Kliniken in Lippstadt-Eickelborn, Marsberg-Bilstein und Stemwede-Haldem. Gespräche mit dem Gesundheitsministerium über eventuelle Standorte sollen demnächst stattfinden. Der Richterspruch habe die angespannte Situation verschärft, so Donath weiter. Eine optimale Betreuung sei angesichts der Überbelegung schwer möglich. Landesweit sind derzeit 1.959 suchtkranke oder psychisch gestörte Straftäter inhaftiert – bei nur 1.339 Therapieplätzen.

Der Gerichtsbeschluss sei kein Problem, sagt Angelika Wahrheit vom NRW-Gesundheitsministerium: „Niemand wird vorzeitig entlassen.“ Auch im Innenministerium reagiert man gelassen auf den Gerichtsbeschluss. „Wir gehen nicht davon aus, dass es zu einer größeren Belastung für die Polizei kommen wird“, sagt ein Sprecher, „wenn sich die Praxis in der Betreuung ändert, werden wir das kommunizieren.“ Die Zuständigkeit liege nach wie vor beim Gesundheitsministerium.

Warum die Öffentlichkeit erst jetzt von dem zwei Monate alten Richterspruch erfahren hat, will Angelika Wahrheit nicht erklären. Das Ministerium habe aber entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Im niederrheinischen Bedburg-Hau stehen vorrübergehend 100 Plätze zusätzlich zur Verfügung, im westfälischen Rheine sind 84 Plätze entstanden. Insgesamt sind für den Übergang 311 Plätze vorgesehen. Bis spätestens 2009 sollen an den Standorten in Dortmund, Duisburg, Essen, Herne, Köln und Münster 470 zusätzliche Plätze entstehen. In Dortmund wurde der Grundstein bereits gelegt. Nur die Stadt Herne hat gegen den Standort Wanne Klage eingelegt, nachdem eine landesweite Volksinitiative gegen die vorgesehenen Standorte mangels Beteiligung scheiterte.

Dass der Gerichtsbeschluss den Widerstand gegen den Bau der Forensik-Standorte wieder verstärken könnte, befürchtet Sprecherin Wahrheit nicht: „Die Verfahren laufen weiter wie geplant, Gesundheitsministerin Birgit Fischer wird am Konzept der Dezentralisierung festhalten.“ Die Überbelegung bleibt vorerst Dauerzustand.