off-kino Filme aus dem Archiv - frisch gesichtet

Während Yasujiro Ozu in den frühen Phasen seiner Karriere gelegentlich auch verschiedene westliche Genres wie etwa den Gangsterfilm bediente, kreist das Spätwerk des japanischen Regisseurs ausschließlich um Familiengeschichten. An ihnen arbeitete Ozu alle ihm wichtigen Themen ab: das gespannte Verhältnis von Tradition und Moderne, die Veränderung der japanischen Gesellschaft durch die Berührung mit dem westlichen Lebensstil in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, Generationskonflikte, die sich ändernde Stellung der Frau. Ein zentraler Ausgangspunkt für Probleme aller Art ist dabei immer wieder die Heirat, oder konkreter: die Abnabelung der Kinder von den Eltern und ihre Einbindung in neue familiäre Strukturen. Ozus Filme verweisen dabei stets auf die Zwangsläufigkeit des Lebenszyklus: Oft müssen die Kinder mit allerlei Tricks und Finten geradezu vertrieben werden in ihr neues Leben; der älteren Generation bleibt anschließend nur Einsamkeit und Melancholie, in die man sich jedoch - mehr oder weniger- klaglos schickt.

Die verwitweten Elternteile, die sich von der Tochter im heiratsfähigen Alter den Haushalt führen lassen, gehören beinahe zum Standardrepertoire der späten Ozu-Filme: Einerseits nehmen sie die Hilfe und Gesellschaft ihrer erwachsenen Töchter gern in Anspruch, andererseits plagt sie ein schlechtes Gewissen, weil den Kindern damit die eigene Familie verwehrt bleibt. In „Akibiyori“ (Spätherbst, 1960) gestaltet sich die Sache sogar noch komplizierter: Hier suchen die Freunde der jungen und attraktiven Witwe Akiko (Setsuko Hara) nach einem Heiratskandidaten für ihre Tochter Ayako. Weil diese die Mutter nicht allein lassen will, beginnen die drei Herren, auch gleich Heiratspläne für Akiko zu schmieden, die jedoch gar nichts von ihrem Glück weiß. Als Ayako von der vermeintlichen Heirat der Mutter erfährt, kommt es zu Streit und Entfremdung zwischen den Frauen, da die konservativ denkende Ayako dieses Verhalten als Untreue gegenüber dem toten Vater betrachtet. Dass Ozu in dieser Situation mit einer Freundin Ayakos, die sich nach Kräften bemüht, die Wogen wieder zu glätten, eine Person mit einer modernen Gegenposition auftreten lässt, ist typisch für seine Filme: Jede Ansicht und jede Verhaltensweise der Charaktere wird stets von allen erdenklichen Seiten beleuchtet, diskutiert (und oft auch relativiert) - nie steht die Denunziation von Positionen, sondern stets das Verständnis und der Ausgleich zwischen Konfliktparteien im Mittelpunkt.

„Samma no aji“, Ozus letzter Film aus dem Jahr 1962, entwickelt eine entsprechende Geschichte in ähnlich unspektakulärer Weise aus der Perspektive eines Witwers, der sich schließlich überzeugen lässt, dass für seine Tochter die Zeit der Abnabelung gekommen ist. Dabei geht es stärker noch als in „Akibiyori“ auch um ein Porträt der japanischen Mittelschicht (und um die Frage, ob man sich vielleicht gebrauchte Golfschläger leisten könnte) sowie um das Bild der Frau in der modernen Gesellschaft. Und bei allen Intrigen, Missverständnissen und alltäglichen Problemen, denen seine Figuren ausgesetzt sind, geht es bei Ozu nur selten melodramatisch oder deprimierend zu: Es ist die mitunter heitere Gelassenheit, die seine Filme so wertvoll macht.

„Akibiyori“ 27. 3.; „Samma no aji“ 30. 3.-31. 3. im Arsenal

Eine Opernverfilmung, die das Theatererlebnis betont und doch selbst ganz den Mitteln des Kinos verhaftet ist: Ingmar Bergman löst die Geschichte von Mozarts und Schikaneders Oper „Die Zauberflöte“ in seiner Bearbeitung überwiegend in Großaufnahmen der Sänger auf und schafft Momente besonderer Intensität, während die Handlung doch niemals die Bühne verlässt. Zugleich behält Bergman den Ablauf einer Theateraufführung bei: Während der acht Minuten dauernden Ouvertüre blickt man in die Gesichter der Zuschauer, zwischen den Akten gibt es Pausen, und das Orchester stimmt die Instrumente. Trotzdem - weit mehr als abgefilmtes Theater.

„Die Zauberflöte“ 28.3. in der Urania

LARS PENNING