piwik no script img

Archiv-Artikel

Doch keine Kita-Plätzchen?

Die 40-Millionen-Euro-Finanzspritze versickere folgenlos im Kita-Etat, behauptet SPD-Politiker Thomas Böwer. Bildungssenator Reinhard Soltau widerspricht im Haushaltsausschuss: Es blieben wenigstens 20 Millionen Euro für neue Kita-Gutscheine

von KAIJA KUTTER

„Wir schaffen eine Vollversorgung für alle berufstätigen Eltern von drei- bis sechsjährigen Kindern“, jubelte gestern die CDU-Jugendpolitikerin Bettina Pawlowski: „Sie müssen sich vorstellen, das hat es in Hamburg noch nie gegeben!“ Und wird es auch nicht geben, glaubt man SPD-Politiker Thomas Böwer.

Bürgermeister Ole von Beust (CDU) hatte angekündigt, zum 1. April würden alle berufstätigen Erstantragssteller der so genannten Priorität 5 Gutscheine erhalten. Böwer ist sich indessen sicher, dass es diese nicht geben wird. Damit wäre dieses Versprechen Makulatur.

Wie berichtet, soll die Bürgerschaft am 11. Februar einen Kita-Nachtragshaushalt über 40 Millionen Euro verabschieden, um dies zu finanzieren. Doch laut Böwer entspricht diese Summe nahezu den strukturellen Mehrkosten, die bereits 2003 anfielen, als ebenfalls 40 Millionen Euro nachbewilligt werden mussten. Das Kita-Gutscheinsystem ist demnach eine Euro-Fressmaschine, die nur Geld schluckt, aber keine Plätze ausspuckt.

Böwer stützt sich bei seiner Behauptung auf Protokolle der behördenübergreifenden Lenkungsgruppe und hat zudem die einzelnen Begründungen für die beiden ersten Nachtragshaushalte von Oktober und Dezember 2003 noch einmal studiert. Insgesamt 36,5 Millionen Euro würden demnach für jährlich wiederkehrende Posten wie Sachkostensteigerungen benötigt. Und noch einmal 6 Millionen Euro für die in Folge der vorgezogenen Steuerreform nötige Absenkung des Kirchenanteils bei Kita-Plätzen. Zusätzlich zu diesen 42 Millionen Euro sieht der Oppositionspolitiker „weitere Risiken“. So könnte es noch Defizite aus 2003 geben. Auch bräuchte man Geld für Brandschutzmaßnahmen in Kitas und eine angemessene Sprachförderung.

Böwers Rechnung war gestern Thema im Haushaltsauschuss. Dort nannte Bildungssenator Reinhard Soltau (FDP) andere Zahlen. Demnach benötigt er lediglich 18,5 Millionen Euro für die „strukturelle Fortschreibung“ des Etats, 21,5 Millionen Euro verblieben für neue Gutscheine. Davon sollten ab April im Laufe des Jahres bis zu 5.000 berufstätige Eltern einen Elementar-Gutschein und ab August dann 1.700 weitere Eltern einen Schulkindhortplatz erhalten. Weitere 1,8 Millionen Euro solle die großzügigere Regel für Kinder von Arbeitslosen kosten, die statt nur vier künftig zwölf Monate in ihrer Kita bleiben dürfen. Laut Soltau gibt es gar einen Rest von 4 Millionen Euro, falls plötzlich mehr Berufstätige Anträge stellen.

In der Ausschusssitzung, die bei Redaktionsschluss noch andauerte, konnten Böwers Zahlen nicht widerlegt werden. Bildungsbehörden-Staatsrat Gerd Hünerberg räumte ein, dass die Senkung des Kirchenanteils nicht einkalkuliert worden sei. Auch gehe man bei der Zahl von 18,5 Millionen Euro von Prognosewerten aus. „Das Wesen von Prognosen ist“, so Hünerberg, „dass man nicht immer die Realität trifft.“