: Idealismus umsetzen
Der Buchladen in der Osterstraße, eines der ältesten linken Hamburger Buchladenkollektive, feiert dieser Tage sein 25-jähriges Jubiläum
von MARCO CARINI
Der Beginn passt ins Lehrbuch für Klischees über linke ZeitgenossInnen: Die Eröffnung des neuen Buchladens an der Osterstraße am 1. April 1978 vollzog sich mit deutlicher Verspätung. Die drei Neu-BuchhändlerInnen hatten einfach allesamt die geplante Öffnungszeit verschlafen.
Doch ansonsten war hier nichts verschlafen, das Konzept eher pfiffig. Peter Offenborn und Christiane Bünz hatten die Idee gehabt, eine linke Stadtteil-Buchhandlung zu eröffnen, die möglichst kollektiv – also ganz ohne Chef und Hierarchien – geführt werden sollte. In Eimsbüttel sollte sie sein, und schließlich fiel die Wahl auf einen kleinen, dunklen Tiefparterre-Laden mit steiler, enger Eingangstreppe an der Osterstraße 156. Eine Eimsbüttler Institution war geboren.
Eine Hand voll linker Buchläden gab es damals, zehn Jahre nach 1968, in Hamburg natürlich schon. Doch waren sie allesamt im Uni-Viertel angesiedelt und in der Hand der damals dominierenden K-Gruppen. Ihre Regale waren meist gespickt mit einer breit gefächerten Auswahl maoistischer Standardwerke.
Die BuchhändlerInnen wollten einen fortschrittlichen, politischen Buchladen betreiben, der eine hohe Anbindung an den Stadtteil haben sollte. „Ohne Umsatz kein Idealismus“ beschreibt der Text einer an der Ladenkasse angebrachten Postkarte den Spagat zwischen Wirtschaftlichkeit und Anspruch, den das Projekt seit 25 Jahren erfolgreich meistert.
Das Repertoire hat sich dabei im Wandel der Zeit deutlich verändert. Die Massen an Publikationen über ökologische Fragen und den internationalen Befreiungskampf im Trikont, die in den achtziger Jahren noch ganze Regale füllten, sind auf eine übersichtliche Auswahl zusammengeschnurrt. Auch die Theoretiker der Arbeiterbewegung verstauben schon mal auf einem schwerer zugänglichen Regalboden. Dafür nimmt das Thema „Globalisierung“ heute breiten Raum ein.
Die Kinder- und Jugendbuchecke wurde kontinuierlich ausgebaut, das frühere studentische Klientel der Buchhandlung ist inzwischen zu Grau im Haar und Nachwuchs gekommen. Geblieben ist hingegen über all die Jahre die breite Bücherwand über die Geschichte des Nationalsozialismus – nach wie vor der politische Schwerpunkt der Buchhandlung.
Zur Geschichte des Buchladens – der 2001 in neuere, hellere und größere Räume in der Osterstraße 171 umzog – gehörten über Jahre hinweg unangekündigte „Besuche“ von Staatsschützern und Polizisten, die den Laden nach linksradikaler, inkriminierter Literatur durchsuchten. Diese Visiten nahmen inzwischen aber spürbar ab.
Torsten Meinicke, seit 1996 und damit vom heutigen Kollektiv am längsten dabei, kann sich deshalb nur noch an wenige Zwischenfälle erinnern. Etwa als Offenborn angeklagt war, die linksradikale Zeitschrift Interim vertrieben zu haben, in welcher der Bau von Hakenkrallen zur Beschädigung von Bahn-Oberleitungen beschrieben wurde. Vor Gericht fungierte ein mit Rauschebart und Brille vermummter Staatsschützer als Belastungszeuge, so dass Offenborn mit Fug und Recht behaupten konnte, diese seltsame Gestalt noch nie in seinem Laden gesehen zu haben. Das Verfahren endete mit Freispruch.
Nachdem Offenborn Ende vergangenen Jahres nach einem knappen Vierteljahrhundert aus dem Buchladen ausschied, besteht das aktuelle Kollektiv heute aus Hilke Bölts, Torsten Meinicke und Gerlinde Schneider. Mit frischen Ideen und vielen Lesungen wollen sie die zweiten 25 Jahre angehen. So liest Gerd Fuchs am 8. Mai aus seinem Roman „Die Auswanderer“; am 3. Juni ist der Hamburger Historiker Frank Bajohr zu Gast.
Zuerst einmal aber soll gefeiert werden: Am übernächsten Sonnabend, dem 12. April, wollen die Eimsbüttler BuchhändlerInnen ab 19.30 Uhr in der Apostelkirche ein rauschendes Jubiläum feiern.