schnittplatz
: In bed mit Saddam

Nichts spricht dafür, im Krieg die Wahrheit zu sagen. Deshalb ist der Krieg eine feine Sache für alle, die ohnehin nur lügen. Im Krieg sind sie nicht mehr von denen zu unterscheiden, die es sonst mit der Wahrheit halten. Was den Krieg so übersichtlich macht – Waffe hier, Waffe dort – macht Demokratien und Diktaturen ununterscheidbar.

Nun lügen also auch Demokraten, um die Bürger zu Hause kriegstauglich zu machen. Die deutschen Medien reagieren darauf vernünftig. Journalisten vor Ort und im heimischen Studio ziehen in Zweifel, was sie nicht selbst gesehen haben. Man kann sich nur wünschen, dass die Propaganda-Allergie anhält, wenn Politiker wieder in zivilen Angelegenheiten lügen. Propaganda ist noch gefährlicher, wenn sie nicht in Uniform daherkommt. Noch mehr als in diesem Krieg wurde vor diesem Krieg gelogen. Und Vorsicht ist allemal geboten, wenn Journalisten uns in Uniform gegenübertreten. Niemand kann ihnen übel nehmen, dass sie nach drei oder mehr Wochen bei der Einheit ihr Denken deprofessionalisieren. Verzeihlich also, wenn britische Reporter, die wochenlang Sand filmen und vor Geschützen in Deckung gehen mussten, dümmlich textend durch den Palast von Saddam Hussein taumeln. Aber was geht in britischen und amerikanischen Redaktionen zu Hause vor, diesen Film gewordenen Schwachsinn in Endlosschleife auszustrahlen ? Es gibt für diese Filmchen ein Vorbild aus dem Jahr 1989: das kamerabegleitete Stürmen der Casa Poporului, des unvollendeten Regierungspalastes von Nicolae Ceaușescu in Bukarest. Aber das Vorbild unterscheidet sich wesentlich von den britischen Irakreportagen. Die Untertanen des rumänischen Diktators hatten sich selbst befreit und sich Zutritt zur Machtsphäre verschafft – und sie sendeten diese Bilder in die eigene, neu entstehende Öffentlichkeit. Und noch wichtiger: Der Diktator hatte sich stets als Avantgarde der Arbeiterklasse legitimiert. Sein Lebensstil delegitimierte ihn also. Die Paläste Husseins – sie entlarven ihn als Epigonen der Angreifer. Er lebt wie Michael Jackson. Seine Verbrechen werden nicht nur durch die eigenen Propagandisten verhüllt, sondern durch die Dümmlichkeit der Medien der angreifenden Mächte. Das ist schlimmer als Lügen.

MARKUS SCHUBERT