: Kitas zum guten Schein
Bürgerschaft verabschiedet Kita-Gesetz in zweiter Lesung. Rot und Grün halten an ihrer Kritik fest. SPD verspricht abermalige Änderungen nach einem Volksbegehren
Die Hamburger Bürgerschaft hat gestern gegen die Stimmen von SPD und GAL das Kindertagesstätten-Gesetz der Rechts-Koalition in zweiter Lesung verabschiedet. Damit kann es zum 1. August in Kraft treten. Kernstück ist ein Gutscheinsystem, das es Eltern ermöglichen soll, einen geeigneten Kindergartenplatz selbst zu wählen. Dazu können Eltern einen Betreuungsgutschein bei ihrem Bezirksamt beantragen.
Das Kita-Gutscheinsystem war von den Oppositionsparteien SPD und GAL, aber auch von vielen Eltern und Verbänden als „Mogelpackung“ kritisiert worden, weil auch Gutscheine nichts daran änderten, dass viele Tausend Kindergartenplätze fehlten.
SPD-Jugendexperte Thomas Böwer erklärte, in dieser Form sei es ein „Gesetz der verpassten Chancen“ und weise in mehreren Punkten „soziale Härten“ auf. Das Kita-Gesetz vertue die Chance auf eine garantierte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und gefährde die Bildungschancen von Kindern in sozialen Brennpunkte. „Ohne den Ausbau von 18.000 fehlenden Plätzen in Hamburg kann der Kita-Gutschein das Versprechen auf mehr Wahlfreiheit für Eltern nicht einlösen“, betonte Böwer. Die SPD kündigte an, sie werde ihren eigenen Entwurf nach einem Volksbegehren wieder in die Bürgerschaft bringen. Dieses würde Plätze für Kinder von Berufstätigen „garantieren, ohne die sozialen und bildungspolitischen Aufgaben der Kitas zu vergessen“.
Der Senat hatte zuvor offiziell der Bürgerschaft zur Kenntnis gegeben, dass die „Volksinitiative für eine kinder- und familiengerechte Kita-Reform“ zustande gekommen sei. Diese Initiative war von den Sozialdemokraten gestartet worden. In einer zweiten Stufe müsse diese nun im Herbst gut 60.000 Unterschriften von HamburgerInnen sammeln, welche dieses Anliegen unterstützen. Ziel ist ein Volksentscheid im Sommer nächsten Jahres über den Gesetzentwurf der SPD, um das Gutscheinsystem der Rechts-Koalition wieder zu Fall zu bringen (taz berichtete mehrfach).
Sabine Steffen (GAL) hatte in der gestrigen Debatte ein „solides Finanzierungskonzept“ angemahnt. Der Ansatz der Koalition werde „nicht zu besseren Betreuungsangeboten“ führen, kritisierte die Grüne.
Der für Kindergärten zuständige Bildungssenator Rudolf Lange (FDP) hingegen verteidigte seinen Gesetzentwurf als „entscheidenden Schritt nach vorn“. Für die nahe Zukunft sagte er „niedrigere Elternbeiträge, flexiblere Angebote, mehr Qualität und mittelfristig mehr Plätze in Kindertagesstätten“ als Konsequenzen aus seiner Reform voraus. Hamburg werde, so Lange, „schon bald von vielen Städten um dieses nachfrageorientierte System beneidet werden“.
lno / sven-michael veit