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Archiv-Artikel

Die Depots als Gefahr

Die Explosion eines Munitionslagers in Bagdad löst Proteste gegen die USA aus. Die Vernichtung der Waffen dürfte noch eine ganze Weile dauern

BAGDAD ap/afp/dpa ■ Eine verheerende Explosion in einem Munitionslager mit mindestens sechs Toten hat am Wochenende in Bagdad wieder zu heftigen antiamerikanischen Protesten geführt. Hunderte Iraker durchsuchten gestern die Ruinen ihrer Häuser und beschimpften die US-Soldaten, denen sie vorwarfen, für den Vorfall verantwortlich zu sein.

Nach Darstellung des US-Oberkommandos in Katar hatten Unbekannte am Samstagmorgen Brandsätze in das Munitionslager geschossen und so die Explosionen ausgelöst. In dem Depot im Stadtteil Safarania lagerten unter anderem 80 irakische Raketen. Sprengköpfe und Granaten regneten nach der Explosion auf Wohnhäuser nieder. In einem Kilometer Entfernung stürzte nach der Detonation eines Sprengkopfes ein Haus ein, sechs Mitglieder einer Familie starben. Nach Krankenhausangaben wurden etwa 25 Menschen zum Teil schwer verletzt. In dem von der US-Armee eingerichteten Depot in dem Vorort Safarania befanden sich beschlagnahmte irakische Waffen.

Am Samstag versammelten sich mittags im Stadtzentrum etwa 300 Einwohner des von der Explosion betroffenen Viertels zu Protesten gegen die US-Streitkräfte. „Die Amerikaner töten Iraker mit den Waffen Saddam Husseins“, hieß es auf einem der Spruchbänder. Die Anwohner sind auch verärgert darüber, dass sich das Depot mitten in einem Wohnviertel befand. „Ja, wir wussten, dass dieses Depot neben einem Wohnviertel kein guter Ort war, um Raketen zu lagern“, sagte US-Major Frank Leary. „Deshalb wollten wir sie später auch woandershin transportieren.“

Die US-Soldaten bekommen die Waffenarsenale von Saddam Hussein und die Überreste ihrer eigenen Bombardierung kurzfristig nicht in den Griff. In absehbarer Zeit wird es ihrer eigenen Einschätzung nach nicht gelingen, alle noch nicht explodierten Bomben, Granaten und Raketen, die in Straßengräben und Wohnvierteln liegen, zu räumen und zu vernichten. Für die irakischen Zivilisten ist die Gefahr auch jetzt noch nicht gebannt. Täglich kommen Iraker zu den US-Soldaten und bitten sie, Militärgerät und Munition aus ihren Wohnvierteln zu entfernen. Doch die Amerikaner kommen nicht nach. „Die Iraker hatten jede Menge Waffen, das können wir so schnell nicht schaffen“, sagt McLeary. Dabei sind sich die Amerikaner der Gefahr, die von der nicht explodierten Munition ausgeht, durchaus bewusst. „Wir markieren die Mörsergranaten hier, aber fragen Sie mich bitte nicht, wann wir sie abholen können, denn das kann noch eine Weile dauern“, erklärt ein Soldat im Al-Durra-Viertel und zuckt mit den Schultern.

Für das Einsammeln und Vernichten der Handfeuerwaffen, die bei Kriegsende überall in den Straßengräben lagen, bleibt den US-Soldaten angesichts dieser massiven Bedrohung kaum noch Zeit. Zwar nehmen sie den zum Teil nur aus Spaß wild schießenden Irakern gelegentlich ein paar Maschinenpistolen ab, die sie dann mit ihren Panzern platt walzen, doch auf dem Waffenmarkt an der Hauptstraße von Neu-Bagdad gibt es jeden Tag neue Ware. Eine Kalaschnikow ist hier ab zwölf Dollar zu haben.