: Global senden, lokal verwenden
Wunscherfüllungsmaschinen: Die Tagung „Transmission image“ machte im Haus der Kulturen der Welt mit Bildcollagen aus westlichen und afrozentrischen Perspektiven vertraut – ironische Aufhebungen der Marginalisierung
Die Sequenzen, die über die Videoleinwand flimmern, lösen hier und da ein Lachen aus. Das Hollywood-Melodram „Titanic“, dämmert es im Auditorium, gibt es auch noch in einer anderen Version. Ästhetische Maßstäbe spielten bei deren Herstellung keine besonders große Rolle: Der Hintergrund ist zwanglos aus dem Original kopiert, dabei wurden allerdings alle Figuren zu Farbigen umkoloriert. No whities, please. Und das Liebespaar – die einzigen eingesetzten Schauspieler – ist auf eine montagetechnisch unsanfte Art in den Vordergrund gerückt.
Heike Behrend, Afrikanistin und Anthropologin, entwarf gleich zu Beginn der Konferenz „Transmission image“, die am Wochenende im Haus der Kulturen der Welt stattfand, das Tableau einer anderen, hybriden Bildkultur. Bilder werden auf der Tagung als „Kulturbotschafter“ gedeutet, und das „Titanic“-Remake ist da ein gutes Beispiel. Es handelt sich bei ihm, führt Heike Behrend aus, um ein Produkt aus der nordnigerianischen Popkultur. Hier dominiere der Islam gegenüber dem eher christlichen Süden. Der Film sei 2003 produziert worden und den tausenden Sklaven gewidmet, die auf dem Weg von Afrika nach Amerika ertrunken sind. Vor dem Hintergrund einer Krise des Zelluloid-Kinos und dem kometenhaften Aufstieg der Videokultur in den 80ern markiere er eine Entwicklung zur agency, zur eigenen Handlungsfähigkeit. Die Bilder nähmen eine „subversive, afrozentrische Perspektive“ ein – durch den Gebrauch eines ursprünglich westlichen Mediums, des Films.
Weiter geht es in Behrends Vortrag zu dem Fotografen und Collagekünstler Sadala, der den gleichen Zusammenhang – lokale Verwendung eines globalen Mediums – illustrieren soll. Sadala gründete 1999 in der ugandischen Hauptstadt Kampala sein eigenes Studio, das Safe Star Photo Studio. Ein Ort, an dem jeder Wunsch in Erfüllung gehen kann – zumindest auf dem Bild.
Die einen Kunden von Sadala klemmen sich gern hinter ein Maschinengewehr. Andere bevorzugen ein Motorrad. Wieder andere möchten sich inmitten einer Horde brüllender Löwen wiederentdeckt sehen. Besonders beliebt sind aber Collagen, die den Kunden in VIP-Nähe befördern, weiß Behrend. Und an der Wand des Konferenzsaals erscheint die Diaprojektion eines Mannes, der neben dem ugandischen Präsidenten stehen darf. Im Hintergrund ein Flughafen, unmittelbar hinter der Personengruppe ein Flugzeug bereit zum Abflug. Ein wahrhaft staatsmännisches Szenario.
Unübersehbar sind die Produktionsspuren der Collage: versetzte, verunglückte Einpassung, weiße Schraffuren. Doch wie schon bei dem „Titanic“-Remake komme es auch hier gar nicht so sehr auf die abbildliche Qualität an, so Behrend. Entscheidend sei vielmehr der Aspekt von Wunscherfüllungsmaschinen, die Kreation eines anderen, schöneren Lebens. Eine Art ironisch-performative Aufhebung des Marginalisiertseins. Ein Redigieren von Biografien vor dem Hintergrund sozialer Armut und Ungleichheit. Bilder, resümiert Behrend in Hinblick auf das Konferenzthema, seien instabil, transformativ und ohne fixe, geronnene Logik.
Dies Bilderverständnis zieht sich nun wie ein roter Faden durch die folgenden Beiträge der Tagung. Als eine „Karte oder Landschaft, die irgendwo zwischen Osten und Westen angesiedelt ist“, analysiert Alexandra Schneider die Unwirklichkeit des „transkulturellen“ Bollywood-Kinos. Simone Grießmayer dagegen verfolgt das Einwandern christlicher Motive in die chinesische Malerei seit dem frühen 16. Jahrhundert.
Nur ein Beitrag fällt stilistisch gesehen aus der Reihe. Karim Traore hat sein Manuskript weggelegt. Zu erleben ist ein Fluidum von Wörtern und Gesten, eine assoziative Fahrt, die anschaulich etwas vom Thema – der spezifisch dialektischen Wahrheitslogik des afrikanischen Films – nahe bringt. Die Schlussdiskussion kann aber auch er nicht mehr retten. Man weist sich gegenseitig seinen Sprechort zu und redet konsequent interdisziplinär aneinander vorbei.
MATTHIAS ECHTERHAGEN