: Regierung für mehr Sicherungshaft
Gestern beschloss das Bundeskabinett mit einem Gesetzentwurf, die nachträgliche Sicherungsverwahrung einzuführen. Das Verfassungsgericht hatte entsprechende Landesregelungen für ungültig erklärt. Die Grünen wollen das Gesetz noch abmildern
VON CHRISTIAN RATH
Die Bundesregierung will die Anordnung von Sicherungsverwahrung erleichtern. Dies beschloss gestern das Bundeskabinett auf Vorschlag von Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Sie reagiert damit auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar, das entsprechende Landesregelungen kassiert hatte.
Sicherungsverwahrung ist die Haft nach der Haft. Hier muss ein Straftäter nach Verbüßung seiner Strafe im Gefängnis bleiben – im Extremfall sein ganzes Leben lang –, weil weitere erhebliche Straftaten befürchtet werden. Bisher musste die Sicherungshaft bereits im Strafurteil angeordnet oder zumindest vorbehalten werden.
Mit der Neuregelung will Zypries nun auch die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung ermöglichen. Erfasst werden damit Täter, deren fortdauernde Gefährlichkeit sich erst im Gefängnis herausstellt. Ein Beispiel der Ministerin: „Wenn sich ein Verurteilter in der Haft einer offen gewaltbereiten Szene zuwendet und sich sicher prognostizieren lässt, dann müssen wir verhindern, dass er sich in Freiheit an erheblichen Straftaten dieser Szene beteiligen wird.“ Entsprechende Regelungen wurden in den letzten Jahren bereits in fünf Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) eingeführt. Doch das Bundesverfassungsgericht entschied im Februar, dass nur der Bund solche Gesetze beschließen kann. Dies war vor allem eine Ohrfeige für die Bundesregierung, die bis dahin – auch um rot-grüne Konflikte zu vermeiden – nur Landesgesetze für zulässig hielt. Eine Pflicht, die nachträgliche Sicherungsverwahrung bundesweit einzuführen, hat Karlsruhe allerdings nicht postuliert. Der Bund hätte genauso gut auf eine Regelung verzichten können. Nun aber hat sich in der Koalition Ministerin Zypries durchgesetzt. Sie hatte die nachträgliche Sicherungshaft schon bisher befürwortet.
Bei den Grünen herrscht deshalb Verstimmung. „Wir wollten nur eine Lösung für Täter mittragen, die vor 2002 verurteilt wurden, als es die vorbehaltene Sicherungsverwahrung noch nicht gab“, erklärte gestern Fraktionsvize Christian Ströbele. Gemeinsam mit dem rechtspolitischen Sprecher Jerzy Montag will er nun noch Abmilderungen erreichen. So soll etwa bei Ersttätern keine nachträgliche Sicherungshaft möglich sein. Norbert Röttgen von der CDU/CSU ist mit Zypries Entwurf dagegen „zu 80 Prozent zufrieden“. Er würde die neuen Möglichkeiten allerdings auch gerne anwenden, wenn einfache Körperverletzungen und Vermögensdelikte zu befürchten sind.
In der Praxis ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung bisher eher ein Randphänomen. Neben 60.000 Strafgefangenen sitzen zurzeit insgesamt 300 Personen in Sicherungshaft. Und nur in fünf Fällen haben Gerichte bisher die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet. Ministerin Zypries betonte gestern, dass es auch weiterhin nur um „seltene Fälle“ gehen werde. Das Gesetz soll bis September beschlossen werden.