: Großer Verdacht – kleine Wirkung
Bei der Rasterfahndung wurden in Berlin die Daten von 58.032 Personen erfasst. Ein „Schläfer“ war nicht dabei
Die Anschläge vom 11. September 2001 lösten bei den deutschen Sicherheitsbehörden einen hektischen Aktionismus aus. Die Ende der Siebzigerjahre gegen RAF-Terroristen entwickelte Rasterfahndung wurde wieder entdeckt. Auch die Berliner Polizei fahndete mittels eines groben Verdachtsrasters nach möglichen islamistischen „Schläfern“. Das Amtsgericht Tiergarten gab einem entsprechenden Antrag des Polizeipräsidenten statt. Vor allem die Berliner Unis wurden daraufhin aufgefordert, personenbezogene Daten von Studenten arabischer Herkunft an die Polizei zu übermitteln. Auch 44 Unternehmen und öffentliche Stellen übergaben die Daten ihrer Beschäftigten mit entsprechenden Merkmalen.
Per Computer glich die Polizei die Daten ab, um mögliche verdächtige Personen zu identifizieren. Gesucht wurde eine Kombination bestimmter Merkmale: männlich, legaler Aufenthaltsstatus, allein Stehend, mehrsprachig, technisches Studienfach, reisefreudig und islamischen Glaubens. Als hoch verdächtig galt zudem eine Flugausbildung.
Insgesamt wurden 58.032 „Rohdatensätze“ von Männern zwischen 18 und 41 Jahren gesammelt. 109 „Prüffälle“ blieben schließlich in den elektronischen Maschen hängen. In diesen Fällen wurden nähere Ermittlungen eingeleitet.
Nach vier Monaten setzte das Landgericht dem Datensammeln in Berlin ein Ende. Es gebe keine Anzeichen, dass die Verübung terroristischer Straftaten in der Bunderepublik bevorstehe, hieß es in der Begründung. Das Gericht folgte damit einer Beschwerde von drei Studenten der Humboldt Universität. Abgesehen von den datenschutzrechtlichen Bedenken ist auch die Effektivität von Rasterfahndungen fragwürdig: Gefunden wurde bundesweit kein einziger islamistischer Schläfer.
Die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus fordert nun eine Gesetzesänderung: Künftig sollen die betroffenen Personen unverzüglich darüber informiert werden, dass Daten von ihnen gesammelt werden. Eine Datenübermittlung soll nur noch mit richterlichem Beschluss möglich sein. WIBKE BERGEMANN