Jenseits der Schriftstellerposen: Christa Wolf wird 75 Jahre alt

Sie ist fotogen. Wenn man die schöne „Biographie in Bildern und Texten“ studiert, die aus Anlass des heutigen 75. Geburtstags der Schriftstellerin Christa Wolf im Luchterhand Verlag erschienen ist (224 Seiten, 35 €), fallen einem die vielen Fotos auf, in denen sie ganz bei sich ist. Kaum einmal erscheint sie in einer Schriftstellerpose erstarrt. Sie scheint begabt zu sein für Freundschaften und für die Erfordernisse des Familienmenschlichen; viele Fotos zeigen sie im Kreis ihrer Enkelkinder, und auch ihr Mann Gerhard Wolf (der, wie sie einmal schreibt, mehr mit ihr beschäftigt ist als sie mit ihm) ist immer dabei – so wie auf unserem Bild, das in den Siebzigern im Breisgau entstand. Dass sie eine berühmte Autorin ist, sieht man auch. Manchmal hält sie geradezu Hof; wie eine Dichterfürstin, denkt man, das Modell des geselligen evangelischen Pfarrhauses ist auch nicht weit. Aber auch da posiert sie nie, es dominieren die Schnappschüsse. Neben den Einsamkeitsinszenierungen und Zerfurchtheitsmodellen vieler anderer Schriftstellerleben wirkt Christa Wolfs Sebstdarstellung überaus geerdet. Nachdem man die Repräsentantin Christa Wolf (Repräsentantin der kritischen Literatur, des weiblichen Schreibens, des dritten Weges etc.) fast schon vergessen hat, kann man in diesem Buch die individuelle Autorin Christa Wolf entdecken – in ihrem letzten Roman „Leibhaftig“ war das ja auch schon so. drk