Bus und Bahn ganz privat

Der Kreis Wesel hat die Niederrheinischen Verkehrsbetriebe (NIAG) an einen privaten Investor verkauft. Gegner befürchten massiven Arbeitsplatzabbau und weniger Verkehrsdienstleistungen

Der Kreis kann nicht fordern, dass Rhenus jede Strecke im Viertelstundentakt abfahren soll

VON KLAUS JANSEN

Der Kreis Wesel hat mit den Stimmen von CDU und FDP 51 Prozent seiner Aktien der Niederrheinischen Verkehrsbetriebe (NIAG) an den privaten Investor Rhenus Keolis verkauft. Damit gibt erstmals in Nordrhein-Westfalen ein öffentlicher Träger die Kontrolle über den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) aus der Hand.

Der Kreis Wesel verpflichtet sich, Rhenus Keolis drei Jahre lang jeweils 8,5 Millionen Euro Verlustausgleich für die defizitäre NIAG zu zahlen, danach übernimmt Rhenus Keolis mögliche Ausfälle. Bis zum Jahr 2011 werde der Kreis durch diese Teilprivatisierung um insgesamt 42,5 Millionen Euro entlastet, teilte Kreissprecher Gerhard Patzelt mit. „Die Arbeitsplätze der Angestellten sind aber nicht gefährdet“, sagt er. Rhenus Keolis habe zugesichert, sich bis Ende 2011 an die bestehenden Tarifabschlüsse zu halten und keine Stellen abzubauen. Auch an den Leistungen des ÖPNV werde sich nichts ändern, da der Kreis immer noch über den Nahverkehrsplan bestimmen könne, welche Strecken abgefahren werden.

Genau das bezweifelt Günter Crefeld, Kreistagsfraktionsvorsitzender der Weseler SPD: „Die Absichtserklärung von Rhenus ist in der Realität wenig belastbar“, sagt er. Noch deutlicher wird Mechthild Schratz, Geschäftsführerin der Gewerkschaft ver.di am linken Niederrhein: „Das ist Tarifflucht.“ Mittelfristig müssten sich die Beschäftigten auf drastische Lohneinbußen einstellen. Vor allem aber befürchtet Schratz, dass durch den Verkauf die Leistungen des ÖPNV reduziert werden. „Wenn Rhenus Profit machen will, müssen sie Strecken kürzen oder Abstriche an der Sicherheit machen“, sagt sie. Der ÖPNV sei als klassisches Zuschussgeschäft ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und dürfe deshalb nicht aus der Hand gegeben werden. Das findet auch SPD-Mann Crefeld: „Wenn es betriebswirtschaftlich nicht mehr machbar ist, den Nahverkehrsplan zu erfüllen, wird Rhenus Nachzahlungen fordern.“ Der Interpretationsspielraum sei groß: „Es ist doch klar, dass der Kreis nicht fordern kann, dass Rhenus jede Strecke im Viertelstundentakt abfahren kann. Nur wo die Grenze liegt, ist unklar.“ Nach Meinung des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Nordrhein-Westfalen darf die Grenze jedenfalls nicht unter der bisherigen Streckenbedienung liegen: „Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen“, sagt VCD-Sprecher Werner Simon.

Kritik gibt es auch am Ablauf des Vergabeverfahrens. Mit einer im Vorfeld abgegebenen Absichtserklärung zugunsten von Rhenus habe Wesels Landrätin Birgit Amend-Glatnschnig (CDU) dem Kreistag unzulässig vorgegriffen, sagt der Sozialdemokrat Crefeld. „Das ist einmalig in Deutschland.“ Die SPD hat deshalb bei der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Düsseldorf eine Prüfung des Verfahrens beantragt.

Die Bezirksregierung muss sich auch mit dem Einspruch einer Bietergemeinschaft auseinander setzen, die sich dadurch benachteiligt sieht, dass die Ausschreibung während des laufenden Verfahrens unzulässig geändert worden wäre. Das Konsortium aus den kommunalen Verkehrsbetrieben in Duisburg und Krefeld sowie dem holländischen Betreiber Connexxion wollte 43 Prozent der NIAG-Anteile erwerben. „Da wäre kommunale Mitsprache noch möglich gewesen“, sagt eine Sprecherin des Konsortiums.

Kreissprecher Gerhard Patzelt weist die Vorwürfe zurück. „Das Verfahren ist transparent und gut gelaufen. Uns sind keine Fehler bekannt.“ Den Rest müsse nun die Bezirksregierung klären.