: Zwei Lesarten des Gaza-Abzugs
Bush und Scharon sind sich einig über einen einseitigen israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen. Doch während Bush darin einen Schritt zur Verwirklichung des Friedensplans sieht, schließt Scharon derzeit die Gründung eines Palästinenserstaates aus
AUS JERUSALEMVOLKMAR KABISCH
Der von Israel geplante einseitige Rückzug aus dem Gaza-Streifen nimmt immer mehr Gestalt an. Wie der israelische Rundfunk am späten Dienstagabend berichtete, sollen sich die USA und Israel grundsätzlich über den militärischen Abzug und die Auflösung der Siedlungen innerhalb des Gaza-Streifens geeinigt haben. Das Radio bezieht sich dabei auf Washingtoner Quellen aus dem Umfeld der Verhandlungen.
Dem Bericht zufolge unterstütze US-Präsident George W. Bush den einseitigen Rückzug. Jedoch sehe er die Räumung nur als „Zwischenschritt“ hin zur Verwirklichung des internationalen Friedensplans „Roadmap“. Das letztendliche Ziel müsse ein unabhängiger Palästinenserstaat an der Seite Israels sein, fuhr der amerikanische Regierungschef fort.
Zuvor hatte der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon einen Palästinenserstaat für ausgeschlossen erklärt. Diese Idee sei zumindest nicht realisierbar, wenn die palästinensische Führung nichts unternehme, um dem Terror ein Ende zu setzen, sagte er weiter. Die Verhandlungen beider Regierungen sollen in der letzten Woche in Jerusalem zwischen amerikanischen Unterhändlern und dem israelischen Ministerpräsidenten geführt worden sein.
Der Pressesprecher Scharons, Ra'anan Gissin, kündigte an: „Letzte Details des Rückzugs aus dem Gaza-Streifen werden in den kommenden Tagen geklärt werden.“ Bis zum 14. April, wenn der israelische Ministerpräsident und Bush in Washington zusammentreffen werden, sei alles geklärt, sagte er weiter.
Wann der Rückzug beginnen wird, ist bisher jedoch noch offen. Anlässlich des Pessachfestes sagte Scharon in einem Interview mit der Zeitung Ma’ariv: „Nächstes Jahr zu Pessach werden wir, wenn alles nach Plan verläuft, gerade dabei sein, uns zurückzuziehen.“
Bis dahin muss der Regierungschef aber noch einige Hürden überwinden. Denn innerhalb seines Kabinetts regt sich großer Widerstand gegen die Abzugspläne. Die beiden rechtsnationalen Minister Benjamin Elon (National Union) und Effie Eitam (National-Religiöse Partei) sind international bemüht, gegen Scharons Pläne zu mobilisieren. Schroff trat ihnen der Ministerpräsident in seinem Kabinett entgegen: „Wenn jemand die Verantwortung (des Rückzugs) nicht mittragen will, muss er nicht hier bleiben.“
Selbst in der Likud-Partei kämpfen viele gegen die Absichten des Vorsitzenden Scharon. Der erbittertste Widersacher im Likud ist Finanzminister Benjamin Netanjahu. Scharon hatte ihn eigens auf seine Farm in der israelischen Wüste eingeladen, um ihn von seinen Absichten zu überzeugen.
Bereits im Dezember hatte der israelische Regierungschef in einem Interview einen Abzug angekündigt und seine Pläne im Februar präzisiert. Damals hatten Kritiker dies als politische Finte Scharons gewertet, womit er versuche, von seiner Schmiergeldaffäre abzulenken.