piwik no script img

Archiv-Artikel

REBELLENCHEF HEKMATJAR HAT SEINE CHANCE SCHON GEHABT – UND VERTAN Afghanistan ist nicht Irak

Der fundamentalistische Rebellenführer, einstige Warlord und Exministerpräsident Gulbuddin Hekmatjar hat die Afghanen aufgefordert, es den „irakischen Mudschaheddin“ gleichzutun und die US-Besatzer mit einem Aufstand zu vertreiben. In einer Art Wettbewerb sollten die Afghanen versuchen, noch „vor den Irakern die Souveränität“ zu erlangen. Explizit lobt Hekmatjar, der in einem taktischen Bündnis mit den Taliban gegen US- und afghanische Regierungstruppen kämpft, den schiitischen Aufstand des radikalen irakischen Geistlichen Muktada al-Sadr und seiner Anhänger.

Doch Hekmatjar übersieht, dass Afghanistan nicht Irak und er selbst nicht al-Sadr ist. Anders als im Irak haben in Afghanistan die US-Truppen und die Friedenstruppe Isaf ein UN-Mandat, sind also keine klassischen Besatzer. Auch dort mögen die US-Truppen schwere Fehler machen und auch weitergehende strategische Ziele verfolgen, aber sie haben einen international starken Rückhalt.

Und der wichtigste Unterschied: Selbst in Afghanistan fordert niemand außer den Taliban und Hekmatjar ihren Abzug. Ging es beim Irakkrieg offiziell um den Krieg gegen Massenvernichtungswaffen, in Wahrheit aber eher um den Zugriff auf Ölreserven, steht in Afghanistan bei den ausländischen Truppen viel mehr die Terrorbekämpfung im Vordergrund. Abgesehen davon missbrauchte al-Qaida – die im Lande selbst als ausländische, „arabische“ Organisation betrachtet wird – die afghanische Souveränität zum Nachteil des Landes, und so fordern viele Afghanen die internationale Gemeinschaft gerade dazu auf, das Land nicht wieder wie nach 1992 sich selbst zu überlassen.

Damals war es gerade Hekmatjar, der im Kampf um die Macht die Hauptstadt Kabul mit seinen Raketen zusammenschoss und dabei zehntausende Zivilisten tötete. Hekmatjar wird in Afghanistan nicht als Befreier wahrgenommen, sondern als Kriegsverbrecher. Im Unterschied zu al-Sadr war er bereits Ministerpräsident und hat seine Chance vertan. Die USA werden nicht geliebt, aber Hekmatjar wird gehasst. Sein Aufruf wird daher nicht fruchten. SVEN HANSEN