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Archiv-Artikel

Alles nicht rechtens

Jura-Professor Harro Plander: Neues Lehrerarbeitszeitmodell darf nicht am Parlament vorbei verordnet werden. Senat verletzt Fürsorgepflicht gegenüber Lehrern. GEW und DLH bereiten jeweils Klagen vor. Behörde verzögert Inkrafttreten bis zuletzt

von KAIJA KUTTER

„Ich habe nicht geglaubt, dass so eine umstrittene Verordnung ohne ausreichende Ermächtigung erlassen wird“, sagte der Jura-Professor Harro Plander gestern. Im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sollte er die Rechtmäßigkeit des vom Senat beschlossenen neuen Lehrerarbeitszeitmodell prüfen. Planders Fazit: Das Vorgehen des Senates war in vielerlei Hinsicht rechtswidrig. Lehrer könnten deshalb einzeln einklagen, dass das Modell auf sie nicht angewandt wird. Was wiederum dazu führen müsste, dass die Bildungsbehörde das Modell zurückzieht.

Zunächst einmal kritisiert Plander, der an der Universität der Bundeswehr lehrt und auf Arbeits- und Beamtenrecht spezialisiert ist, dass die Bürgerschaft nicht mit der Sache befasst wurde. Denn das Hamburgische Beamtenrecht ermächtige im Paragraph 76 den Senat, lediglich die Arbeitszeit, nicht aber auch die Arbeitsinhalte und ihre Aufteilung zu regeln. Wollte der Senat nun, wie geschehen, das Modell schlicht per Verordnung erlassen, dürfte er dies nicht ohne Beteiligung der Gewerkschaften und Berufsorganisationen tun. Plander verweist auf zwei Entscheidungen des Hamburger Oberverwaltungsgerichts vom April 2001 und September 2002, wo bei der Festlegung von Lehrerpflichtstunden ebenso argumentiert wurde.

Laut Plander hat der Senat aber auch schlicht seine Hausaufgaben nicht gemacht. Denn alle Arbeitszeitanalysen seit 1973 belegen, dass Lehrer bereits heute weit mehr als 40 Stunden arbeiten. Bevor der Senat nun mit dem Argument, er führe für alle Beamte die 40 Stunden-Woche ein, die Lehrer mehr arbeiten lässt, müsste er mit einem Gegengutachten begründen, warum er den bisherigen Arbeitszeitanalysen nicht glaubt. Zwar basierten jene auf Lehreraussagen, doch müsste es aufgrund empirischer Sozialforschungsmethoden möglich sein, hier zu objektiven Aussagen zu kommen. Plander: „Wenn Beschäftigte sagen, das Gebäude, in dem sie arbeiten, sei mit Asbest gebaut, kann der Arbeitgeber sich auch nicht darüber hinwegsetzen, sondern muss beweisen, dass dies nicht gefährlich ist.“

GEW-Chefin Stefanie Odenwald fordert den Senat auf, das Arbeitszeitmodell nicht einzuführen und die rechtlichen Einwände ernst zu nehmen. Parallel bereitet die GEW Prozesse vor, die aber erst starten können, wenn die Verordnung offiziell veröffentlicht wird. Bis so ein Prozess entschieden sei, gehe es allerdings „nicht schnell“ , sagt Plander.

Unterdessen hält der Deutsche Lehrerverband Hamburg (DLH) an seinem Plan fest, das Modell per „einstweiliger Verfügung“ zu stoppen, weil das seit 1996 geltende Arbeitsschutzgesetz nicht berücksichtigt wurde. „Wir haben etwa 20 Individualklagen vorbereitet“, sagt DLH-Chef Arno Becker. Allerdings können auch die DLH-Juristen erst loslegen, wenn die Verordnung in Kraft tritt. Damit lässt man sich in der Bildungsbehörde aber laut Sprecher Alexander Luckow Zeit bis zum 1. August, dem Zeitpunkt, ab dem Lehrer auch danach arbeiten müssen.