: Shizhang Wowi zai Beijing
Der Regierende Bürgermeister verteilt Werbeprospekte in Chinas Hauptstadt. Da seit Sars niemand mehr dorthin fährt, freuen sich die Pekinger auch über Klaus Wowereit
PEKING taz ■ Es war ein seltener Konvoi, der sich gestern Nachmittag durch das alte Pekinger Gassenviertel am Hohai-See wand. Schwitzende Rikschafahrer kutschierten Damen und Herren in offizieller Kleidung vorbei an Gruppen alter Männer, die, auf ihren Höckerchen sitzend, Karten spielten.
Ein rares Bild heutzutage in Peking: Wegen der atypischen Lungenkrankheit Sars sind die meisten Rikschafahrer seit Wochen arbeitslos. Touristen kommen nicht mehr in die chinesische Hauptstadt. Doch einer ließ sich nicht abschrecken, und der heißt Klaus Wowereit.
Seine lange geplante dreitägige Reise, die bis heute dauert, sagte er nicht ab, obwohl es ihm seine Berater nahe gelegt hatten. Gutes Timing des Regierenden. Seine Gastgeber in Berlins Partnerstadt empfingen ihn mit besonderer Liebenswürdigkeit. „Die Leute sind dankbar, das spürt man“, meinte Wowereit, der seine Anwesenheit auch als Zeichen dafür sieht, dass „Partnerschaft sich gerade in schwierigen Zeiten bewähren muss“. Sein Amtskollege, Wang Qishan, lobte am Dienstag denn auch die „moralische Unterstützung“, die er den Deutschen nicht vergessen werde. Kurz nach seiner Ankunft übergab der Senatschef medizinische Geräte, die deutsche Unternehmen als Hilfe für Sars-Krankenstationen gestiftet hatten.
Wie alle deutschen Landespolitiker, die den Chinesen ihre Aufwartung machen, kommt auch Wowereit aus dem Staunen über die „Dynamik“ und das „Entwicklungspotenzial“ der Partnerstadt nicht heraus. Im Wissenschaftspark des Univiertels, in dem sich rund 300.000 Menschen mit Wissenschaft und Technologie beschäftigen dämmert es Wowereit, dass dies eine „andere Dimension“ habe als ähnliche Projekte in Buch und Adlershof.
Verblüfft hört er bei der Besichtigung der Baustelle des supermodernen Nationaltheaters, an der Straße des Ewigen Friedens, dass bislang noch nicht klar ist, wie genau es genutzt werden soll und ob es sich rechnet. Für große Prestigevorhaben kann Pekings Führung voll in die Kasse greifen – ein Traum für Klaus Wowereit. Immerhin sollen die Berliner Philharmoniker zur Eröffnung im November 2005 in Peking aufspielen.
Damit solch ein Besuch auch etwas nutzt, hat Wowereit natürlich Werbeprospekte Berliner Unternehmen dabei. Beim U-Bahn-Bau zum Beispiel zur Olympiade erhofft man sich ein Stück vom Auftragskuchen. Berlin, wirbt der Besucher, könne auch für chinesische Unternehmen als Investitionsstandort interessant sein. Von den verstärkten Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt, die gestern wie an jedem 4. Juni herrschten, bekam Wowereit nichts mit. An diesem Tag vor 14 Jahren hatte das Militär protestierende Studenten niedergeschossen. JUTTA LIETSCH